Preiserhöhungen bei bestehenden Verträgen

ARS Akademie

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Im Rahmen des Webinars „Lieferengpässe und Preissteigerungen infolge höherer Gewalt“ in Kooperation von der ARS Akademie und Solid hielt unsere Referentin DDr. Katharina Müller einen Vortrag zu den rechtlichen Grundlagen zur Anpassung des Entgelts nach ABGB und ÖNORM B 2110 mit ersten Handlungsempfehlungen. Wir haben die Kernaussagen für Sie zusammengefasst.

Preisexplosion erschütterte die Baubranche

COVID-19, der Krieg in der Ukraine und der Bau-Boom in China – die letzten Monate und Jahre waren von zahlreichen Krisen und unvorhersehbaren Ereignissen bestimmt. Dies führte gerade in der Baubranche zu einem massiven Anstieg der Kosten von Baustoffen und -materialien. Die seit Corona kontinuierlich wachsende Preisentwicklung hat durch den Ukraine-Krieg eine weitere enorme Steigerung erlebt und pendelt sich derzeit auf einem hohen Niveau ein.

Doch was bedeuten die hohen Preise für bestehende Verträge?

Unter diesem Preisdruck leiden sowohl Auftraggeber wie -nehmer. Insbesondere bei bestehenden Verträgen, da die aktuellen Mehrkosten in der Vergangenheit überwiegend weder vorhersehbar noch kalkulierbar waren. Neben der Schwierigkeit, Liefertermine aufgrund von Lieferengpässen einzuhalten, stellt sich die Kostenproblematik anhand von zwei unterschiedlichen Preisklauseln in bestehenden Verträgen unterschiedlich dar:
Bei Preisgleitklauseln entsprechen die zu bezahlenden Kosten oft nicht mehr zur Gänze der tatsächlichen Preisentwicklung, da die Kosten fest an einen Index gekoppelt sind. Bei einer Festpreisklausel bzw. bei Fixpreiszusage ist es den Bauunternehmen aufgrund der Kostenexplosion inzwischen kaum noch möglich, den Vertrag aus wirtschaftlicher Sicht umzusetzen.

Verträge aus dem Altbestand: eine Frage des Risikos

Doch wer trägt das Risiko bei bestehenden Verträgen, die die aktuelle Preissteigerung noch nicht berücksichtigt haben?
Prinzipiell fällt das Risiko der Preisentwicklung von Baustoffen und Materialien, die vom Auftragnehmer bereitzustellen sind, in das Kalkulationsrisiko und damit auf die Auftragnehmer-Seite. Da hierbei grundsätzlich immer die Gefahr des Preisentwicklungsrisikos besteht, müssen sämtliche vorhersehbare Risiken in die Kalkulation einbezogen werden. Bei einer Preisgleitklausel ist das Preisentwicklungsrisiko auf die Auftraggeber-Seite hin verlagert, da hier die Entwicklung des Index miteinfließt.

Rechtlich stellt sich die Frage: Was gilt in der aktuellen Situation, konkret wer trägt aktuell das Risiko der unvorhersehbaren Preissteigerungen, wenn diese auf höhere Gewalt zurückzuführen sind?

Von der Theorie zur Praxis: der Begriff der höheren Gewalt

In der Vergangenheit galt der Begriff der höheren Gewalt eher als theoretisches Konstrukt, mit dem man sich zwar in der Lehre auseinandergesetzt hat, bei dem jedoch der Praxisbezug fehlte. Dies änderte sich mit COVID-19. Denn die Pandemie erfüllt sämtliche Aspekte der gängigen Definition:

„Höhere Gewalt ist ein von außen einwirkendes, elementares Ereignis, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist“ (OGH 1 Ob 41/80).

Trotz einzelner widersprechender Stimmen ist sich die Mehrzahl der Experten einig, dass es sich sowohl bei der Pandemie als auch beim Krieg in der Ukraine um außergewöhnliche Ereignisse im Sinne der höheren Gewalt handelt.

Daneben betont Frau DDr. Katharina Müller in ihrem Vortrag, dass die massiven Preissteigerungen im aktuellen Ausmaß per se unter die Definition eines außergewöhnlichen Ereignisses fallen.

Welche Auswirkungen die höhere Gewalt jedoch auf bestehende Verträge hat, ist vom Vertragstyp abhängig: Während nach dem ABGB unvorhersehbare Ereignisse in die neutrale Sphäre und damit zum Auftragnehmer fallen, fallen sie nach der ÖNORM B 2110 in die Sphäre des Auftraggebers.

Empfehlung bei Lieferengpässen und Preissteigerungen infolge höherer Gewalt: Miteinander statt Gegeneinander

Die letzten Monate haben deutlich gezeigt: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Denn ohne Glaskugel kann niemand vorhersagen, wie lange die aktuellen Rahmenbedingungen bestehen bleiben oder welche Entwicklungen noch bevorstehen. Daher ist es gerade jetzt umso wichtiger, bei bestehenden Verträgen Regelungen zu finden, die für beide Vertragspartner auch tatsächlich umsetzbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Die klare Empfehlung der Expertin lautet daher in jedem Fall, das Gespräch zu suchen. Denn in einer unvorhersehbaren Situation wie dieser, kommt man an partnerschaftlichen Lösungen kaum vorbei, um Bauprojekte gemeinsam zum Erfolg zu führen.

Empfehlungen für künftige Ausschreibungen

Bei künftigen Ausschreibungen hingegen empfiehlt die Expertin unter Verweis auf die Empfehlungen der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) konkret:

  • Ausschreiben zu veränderlichen Preisen

  • Verwendung von sachgerechten (Sub)Indizes

  • Vermeiden von Gesamtindizes

  • Schwellenwertlose Preisumrechnung

  • Anpassung von Terminen an Lieferengpässe

  • Setzen auf Flexibilisierung der Bauzeit, sofern möglich

  • Vermeiden von Pönalen, wo nicht unbedingt notwendig

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