Inneres Selbstmanagement als Bedingung für erfolgreiches Lernen

Weiterbildung macht glücklich. Bevor wir dieses Gefühl genießen können, sind wir beim Lernen stark gefordert durch inneres Selbstmanagement, innere Dialoge und innere Beobachtung. Wer damit umgehen kann, hebt sein Lernen auf ein neues Level, weiß Prof. Dr. Erich Schäfer.

Der Nutzen von Weiterbildungen geht weit über den Erwerb spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten hinaus. Wirkungen können sich erstens in einer erhöhten Selbstwirksamkeit, zweitens im Anstieg des sozialen Engagements und drittens in der Verbesserung des mentalen Wohlbefindens und der Gesundheit zeigen. Weiterbildung, so lassen sich die Befunde zusammenfassen, macht gesünder, glücklicher und selbstbewusster.

Erfolgreiches Lernen braucht In-Beziehung-gehen zu sich selbst

Damit die beschriebenen positiven Effekte eintreten können, sind die Lernenden gefordert, auf dreifache Art in Beziehung zu gehen: zum Lerngegenstand, zum sozialen Umfeld und zu sich selbst. Ich will auf den letzten Punkt etwas genauer schauen. Der Aspekt des In-Beziehung-gehens zu sich selbst lässt sich als Selbstmanagement beschreiben. Dabei gilt es zwei Dimensionen zu unterscheiden: das äußere und das innere Selbstmanagement. Über das äußere Selbstmanagement ist schon sehr viel gesagt und publiziert worden; exemplarisch seien all die Ratgeber zu Techniken und Tools des Lernens genannt; hierauf soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Ich will mich vielmehr mit dem oft vernachlässigten inneren Selbstmanagement befassen.

Über das innere Selbstmanagement – hierunter verstehen wir den vielfach unbewussten inneren Dialog – denken wir meist gar nicht nach, obwohl wir ihn fast ständig praktizieren. Die Herausforderung besteht darin, dass wir diesen zunächst trivial erscheinenden Vorgang bewusst betrachten. Eine Metapher soll den Sachverhalt verdeutlichen. In seinem Buch „Das Innere Spiel“ stellt W. Timothy Gallwey mit Bezug zum Tennis die These auf, dass es neben dem äußeren Spiel, das für eine beobachtende Person sichtbar ist, noch ein inneres Spiel gibt. Dieses Spiel findet im Kopf der Spieler statt und wird gegen Hindernisse wie Konzentrationsschwäche, Nervosität, Selbstzweifel und Selbstkritik ausgetragen. Es wird gegen alle Denkgewohnheiten gespielt, die herausragenden Leistungen im Weg stehen. Wird den vernachlässigten Fertigkeiten des inneren Spieles keine Aufmerksamkeit geschenkt, so kann man auch im äußeren Spiel keine Meisterschaft erlangen.

Was für den Sport zutrifft, lässt sich auf das Lernen übertragen

Deshalb ist es so wichtig, auf unseren inneren Dialog zu achten. Hier ist zwischen dem „Ich“ und dem „Selbst“ zu unterscheiden. Das „Ich“ kann man sich als den Kommentator der Handlungen des „Selbst“ vorstellen. Beide kommunizieren ständig miteinander. Die Qualität unserer Performance beim Lernen hängt von der Beziehung zwischen beiden ab. Um zu einer besseren Harmonie zwischen dem bewussten „Ich“ und dem „Selbst“ zu kommen, empfiehlt sich der Verzicht auf eine Selbstbeurteilung seitens des „Ichs“. Während das „Ich“ über die Sprache kommuniziert, sind für das „Selbst“ die inneren Bilder wichtig. Es geht also darum, den inneren Dialog wertschätzend zwischen „Ich“ und „Selbst“ zu führen. Um dies tun zu können, kommt es erstens darauf an, zunächst den Dialog wahrzunehmen und zu dokumentieren, d. h., die eigenen Gedanken festzuhalten; zu hören, was das „Ich“ dem „Selbst“ sagt, welche Qualität diese Aussagen haben und ob sie hilfreich sind, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Anschließend gilt es Gedanken, die einem nicht guttun, mittels eines laut oder auch leise gesprochenen „Stopp“ Einhalt zu gebieten. Anschließend können diese Gedanken durch positive Affirmationen ersetzt werden.

Zunächst ist es ganz wichtig anzuerkennen, dass ein Gedanke da ist. Damit wir ihn loslassen können, ist es notwendig, ihn zuvor anzuschauen und nicht in einen Widerstand gegen ihn zu gehen, sonst bekommen wir es mit einem von vier Saboteuren zu tun: der Schuldzuweisung, der Selbstanklage, der Resignation oder der Gefahr, die Situation bekämpfen zu wollen.

Saboteure des Lernens austricksen

In einem weiteren Schritt geht es dann darum, die Geschichte, die wir uns selbst erzählen, umzuschreiben, indem wir uns eine andere Geschichte erzählen, die für uns zieldienlicher ist. Sie können es gleich ausprobieren, indem Sie die folgende Übung machen:

  1. Nehmen Sie etwas, das Sie – bezogen auf Ihren Lernprozess – in Ihrem inneren Dialog vernommen haben und das Sie wütend bzw. ärgerlich macht oder das Ihnen vielleicht Unbehagen bereitet.
  2. Achten Sie darauf, welche Geschichte Sie sich um diese Situation herum selbst erzählen und welche Saboteure Sie möglicherweise an Bord haben.
  3. Konstruieren Sie die Geschichte nun um, sodass es Ihnen gut damit geht und Sie Ihre Ziele erreichen. Achten Sie dabei stets auf den respektvollen und wertschätzenden Umgang von „Ich“ und „Selbst“ miteinander.

Viele unserer Gedanken, die wir tagtäglich denken, auch die über unser Lernen, sind Gedanken, die wir schon Abertausende Male gedacht haben; so programmieren wir uns über automatisch ablaufende Gedanken. Dabei findet eine Synchronisierung von Gehirn und Körper statt.

Wir fühlen uns so, wie wir denken, und denken so, wie wir fühlen.

Dies ist eine sich wechselseitig stabilisierende Feedbackschleife, die durchbrochen werden kann, indem wir neue Gedanken denken, neue Erfahrungen machen und so die Voraussetzung dafür schaffen, neue neuronale Muster aufzubauen.

Lernen beginnt damit, dass wir uns selbst beim Denken beobachten, indem wir auf unseren inneren Dialog achten. Glauben Sie deshalb nicht alles, was Sie denken. Erkennen Sie mit welchen Denkweisen und Emotionen Sie sich möglicherweise selbst im Wege stehen. Die Installation einer inneren Beobachtungsinstanz macht es uns möglich, uns selbst in unserem Lernen zu betrachten. Neben dem Erwerb neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten, dem sich Ausrichten auf neue Denkweisen und Emotionen, ist die Selbstreflexion von entscheidender Bedeutung; sie hebt uns auf eine neue Stufe des Lernens.

 

Prof. Dr. Erich Schäfer ist Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Masterstudienganges „Coaching und Führung“ an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena sowie Coach, Lehrcoach und Organisationsberater. Er ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher zum Lebenslangen Lernen, Coaching als Führungskompetenz oder Intervision.

Zum gesamten Jubiläumsmagazin: 33207.pdf (ars.at)

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