Künstliche Intelligenz: „Neue Technologien wie KI nehmen nicht Jobs weg, sondern nur Aufgaben.“

ARS Akademie

Ein Interview mit dem Experten für Künstliche Intelligenz, Clemens Wasner, über die Ängste vor Jobverlust durch KI, wie sie unsere Arbeitswelt verändern wird und moralische und ethische Fragen bei ihrer Anwendung. Wasner ist CEO von EnliteAI, einem österreichischen AI-Startup, sowie Mitgründer und Vorsitzender von AI Austria, einem unabhängigen Verein zur Förderung von AI in Österreich.

Herr Wasner, spätestens seit dem Start von ChatGPT wird in der Öffentlichkeit heftig über KI debattiert. Künstliche Intelligenz kommt aber bereits jetzt vielfach zum Einsatz. Können Sie uns einen Eindruck geben, wo bereits KI oft unwissentlich von uns benutzt wird?

Das mit Abstand prominenteste Beispiel ist das touch-Keyboard auf dem Smartphone. Wenn Sie dort eine Eingabe tätigen, dann ist ein KI-System im Einsatz, um Ihnen zu sagen, welches Wort Ihre Finger eintippen wollen. Alle, die größere Finger haben, kennen das: das System kann vorhersagen, welchen Buchstaben sie eigentlich drücken wollten, auch wenn Ihr Finger zum Beispiel noch zwei oder drei andere Buchstaben berührt hat. Das ist ein klassisches Vorhersage-Modell. Da verwenden jeden Tag fünf Milliarden Menschen KI, ohne es zu wissen.

Beim Thema KI in der Arbeitswelt spielt ein Faktor immer wieder mit und das ist die Angst. Die Angst, dass die KI Mitarbeitern und Angestellten den Job wegnehmen wird. Ist diese Angst gerechtfertigt?

KI verwenden wird so normal werden wie heute Outlook oder Google Search.

Nein, ist sie nicht. Und zwar deshalb, weil neue Technologien ganz selten Jobs wegnehmen. Sie nehmen nur Aufgaben weg. Wenn sie Aufgaben wegnehmen, dann führt das dazu, dass sich die Menschen mit neuen Aufgaben beschäftigen. Man denke an die Buchhaltung: es gibt heute mehr Buchhalter denn je, obwohl die Entwicklung in den letzten 60 Jahren vom Notizblock über den Taschenrechner zu Microsoft Excel und PowerBI gegangen ist. Das Berufsprofil hat sich verschoben und das wird zum Beispiel auch auf die Kreativbranche zutreffen, wo es stärker in die Beratungsleistung gehen wird. Aber was sich schon ändert ist die Zeitspanne, in der man sich neue Fähigkeiten aneignen muss. Diese wird immer kürzer. Wenn sie in den 90er Jahren Microsoft Office gekannt haben, hat ihr Wissen 15 Jahre Bestand gehabt. Mittlerweile sind diese Zyklen eher alle drei bis fünf Jahre, bis etwas Neues kommt.

KI kann Krankenpfleger nicht ersetzen

Gibt es Branchen, die von einer Veränderung der Arbeitswelt durch KI nicht betroffen sein werden?

Ja, das sind vor allem physische Tätigkeiten. Es gibt dieses Paradoxon: man glaubt, dass die Tätigkeit von Ärzten leichter zu automatisieren ist, als jene von Krankenpflegern. Zwar gibt es vielleicht auch in der Endausbaustufe den Roboter, der den Krankenpfleger ersetzen kann, aber davon sind wir meilenweit entfernt im Vergleich zu dem, was wir jetzt mit ChatGPT diskutieren.

In Hollywood streiken die Schauspieler und Drehbuchautoren auch deshalb, weil sie durch Einsatz von KI um ihre Jobs fürchten. Haben diese eine berechtigte Angst vor KI?

Ja, auf jeden Fall. Man darf nicht vergessen, dass das, was jetzt mit ChatGPT oder auch mit Bildgenerierungsmodellen passiert, nichts anderes ist als Diebstahl geistigen Eigentums im großindustriellen Maßstab. Natürlich müssen sich jetzt die Kreativen dagegen absichern. Denn wie kann es sein, dass sie den Input für Trainingsmodelle kreieren, und andere verdienen viel Geld damit.

Wir werden weniger Tätigkeiten machen, die die Maschine genauso gut kann.

Wenn wir jetzt allgemeiner von KI sprechen und nicht nur von einer Branche. Wie wird denn KI Ihrer Ansicht nach die Arbeitswelt verändern?

Ich glaube, genauso wie Google dieses Thema: „ich mach mich mal schlau und schau, was die Konkurrenz macht oder wie funktioniert Sektor X im Ausland“ in die Firmen gebracht hat, wird die KI jetzt bei Recherchen noch massiv stärker zum Einsatz kommen. Plus, dass ich auch gleich schon in die erste Generierung gehen kann. Wir sind also damit wieder stärker im driverseat unseres Berufsleben. Wir werden weniger Tätigkeiten machen, die die Maschine genauso gut kann.

Wie sieht denn die Lage in Österreich aus? Wie sind die Unternehmen bei der Implementierung von KI-Strategien unterwegs?

Die börsennotierten Unternehmen ab 200 Millionen Euro Umsatz aufwärts haben sich schon sehr frühzeitig damit beschäftigt. Aus dem Bereich Prozessverbesserung kommend haben sie bereits KI-Strategien entwickelt.Da hinkt Österreich Deutschland oder vergleichbaren Regionen nicht hinterher. Hier findet ein reger Wissensaustausch statt und es ist gar nicht möglich, dass man den Trend verschläft, weil das einfach die Kunden einfordern. Wo aber Europa ein Nachzügler ist, ist dort, wenn es darum geht, mit KI wirklich mehr Umsatz oder neue Geschäftsmodelle zu generieren. Das passiert überraschenderweise de facto gar nicht. Zum Beispiel könnte man quer durch die Branchen das Empfehlungssystem des Algorithmus in einem e-shop dazu nutzen, mehr Umsatz zu machen. Man könnte sich als Kunde selbst ein Auto, ein Dach oder ein Fenster zusammen konfigurieren. Das wird aber nicht angeboten.

Risiken müssen transparent behandelt werden

Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist auch immer mit ethischen Fragen verknüpft. Wie ist dazu Ihre Meinung?

Ich glaube, man geht da aus Konsumentensicht mit dem europäischen AI Act (Der AI Act sieht eine EU-Datenbank vor, in der Hochrisiko-KI-Systeme registriert werden, Anm.) in die richtige Richtung. Dass jeder KI Anwendungsfall nach einem Risikoschema beurteilt und bei hohem Risiko wie ein Algorithmus bei der Kreditvergabe oder im Personalwesen zertifiziert werden muss. Das wird zu weniger Voreingenommenheit führen, weil diese Systeme vollkommen transparent sind und auch vom TÜV geprüft werden. Was aber eher das Problem dabei ist, sind die öffentlichen und staatlichen Akteure. Die werden sich bestimmt nicht an den AI Act halten, wenn mit nationalen Interessen, Terrorismusbekämpfung und so weiter argumentiert wird, die bereits jetzt bei der Privatsphäre aus dem Hut gezaubert werden. Das wird bei KI genauso sein. Es gibt bereits Firmen, die das im großen Maßstab für staatliche Kunden machen und die sind trotzdem noch im Business.

KI ist erstmals ein Tool für alle Menschen und nicht nur bestimmte Berufsgruppen.

Im März 2024 tragen Sie beim Event Powercouple „KI & Arbeitswelt“ zum Thema „KI in der Arbeitswelt. Hype, new normal oder nur Spielzeug?“ Was ist dazu Ihre These?

Jede Person, die das Smartphone oder den Computer beruflich verwendet, wird auch KI einsetzen. Das wird so normal werden wie Outlook oder Google Search heute. Wir werden uns rückblickend über viele Aufgaben wundern, dass wir das jemals manuell gemacht haben, komplett ohne KI-Hilfe. Und das zieht sich quer durch alle Branchen. Das Interessante ist, dass wir jetzt von einer Technologie reden, die alle Bereiche betrifft. Weil in der Vergangenheit war es immer so, wenn wir jetzt von Microsoft sprechen, dann war das die Software für Angestellte. Jetzt gibt es zum ersten Mal ein Werkzeug, dass für alle Branchen gleichermaßen tauglich sein wird.

Und wie sieht Ihr Ausblick für die KI Zukunft global und national aus?

Ich glaube nicht, dass international die Karten neu gemischt werden, sondern eher, dass durch KI bestehende Akteure und Unternehmen noch gestärkt werden. Microsoft hat jetzt diesen Copilot, das wird sicher eines der am meisten verwendeten KI-tools in Zukunft sein. Die Möglichkeit, dass ein neues Unternehmen entsteht, ist sehr gering. Denn große IT-Firmen integrieren KI bereits in ihre Produkte. Europa wird sich überlegen müssen, was notwendig ist, damit irgendwann auch bei uns Technologieunternehmen entstehen.

 

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Hier schreibt das Team der ARS Akademie.