Leadership & Motivation in der digitalen Transformation
Interview mit Mag.a Monika Herbstrith-Lappe
Die ARS Akademie hat Mag.a Monika Herbstrith-Lappe, Keynote Speakerin und Top-Trainerin, zum Gespräch gebeten. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie kann man Mitarbeiter und sich selbst als Führungskraft gut durch Zeiten der Veränderung navigieren?
Erfolgreich führen in Zeiten des Wandels
Wenn man mit Mitarbeitern, Führungskräften und HR-Managern spricht, so schwingt beim Thema Artificial Intelligence immer wieder auch das Thema Unsicherheit oder gar Angst mit. Was raten Sie Führungskräften, wie kann Veränderung erfolgreich sein?
In der systemischen Gestaltung von Prozessen hat sich folgende Formel für den Erfolg von Veränderungsprozessen herauskristallisiert:
L * V * KS > BV
L steht für Leidensdruck und damit auch ein gewisses Problembewusstsein. Es braucht die Einsicht zur Handlung, um „Not“ abzuwenden oder Bewegung in der Organisation zu erreichen.
V steht für Vision. Wie wirkt der Erfolg? Je konkreter und emotionaler diese Vision formuliert wird, umso leichter gelingt es, Mitarbeiter mit an Bord zu holen. Es gilt den Mitarbeitern eine Vorstellung zu vermitteln, wie es zukünftig anders und gut ist.
KS steht für konkrete erste Schritte. Diese sollten aktiv und innerhalb von 72 Stunden gesetzt werden.
Nur wenn das Produkt dieser drei Faktoren L, V und KS größer ist als BV, das Beharrungsvermögen, kann Veränderung in einer Organisation stattfinden.
Arbeiten und führen in der VUCA-Welt
Wie können Manager oder auch Teamleader risikobewusst statt angstgetrieben Mitarbeiter in die neue Arbeitswelt führen?
Die digitale Transformation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie Umbrüche bewirkt, die wir aktuell noch kaum einschätzen können. Das VUCA-Modell wird einigen Leserinnen und Lesern bereits ein Begriff sein. Wir leben und arbeiten in einer Welt, die von Volatilität, Ungewissheit, Complexity und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) geprägt ist. Das macht vielen Menschen Angst, denn man begibt sich auf unbekanntes Terrain. Neben dem Spielbein, das sich um Veränderung kümmert, braucht es daher auch ein stabiles Standbein. Dieses steht für Beständigkeit und Kontinuität. Doch ohne stabiles Standbein gerät man leicht ins Schwanken. „Was bleibt gleich und was ist zukünftig anders?“ ist die Leitfrage für Veränderungskommunikation.
Aus der Stressforschung wissen wir, dass Angst Stress auslöst und dabei Cortisol ausgeschüttet wird. Dieser Stress kann zu irrationalen Handlungen und dem sogenannten „Tunnelblick“ führen. Führungskräfte sind daher gefordert, diesen Ängsten bewusst entgegenzutreten. Dann nimmt der Stress ab und der Tunnel führt wieder ins Freie. Ängste zu ignorieren ist kontraproduktiv und lässt den Mitarbeiter im Tunnel stecken. Mittels der Fragen „Worin besteht das Risiko bzw. die Gefahr?“, „Wie können wir diese angemessen absichern?“ und „Was stimmt uns zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen meistern?“ schafft man eine kluge Balance zwischen Vorsicht und Zuversicht.
Nutzen Sie die Kraft der Neurotransmitter: Dopamin entsteht, wenn man sich auf Erfolge freut. Oxytocin, wenn man seinen Kollegen blind vertrauen kann.
Sorgen Sie als Leader dafür, dass im Rahmen der digitalen Veränderung bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein weiterer Neurotransmitter zum Zug kommt: das Dopamin. Dopamin bewirkt die Vorfreude auf das gute Gefühl, wenn man es geschafft hat. Es ist damit der perfekte Motivator. Wie schaffen Sie das? Zeichnen Sie Bilder oder noch besser Filme, die Vorfreude erzeugen. Wie fühlt es sich an, wenn der neue Prozess in Kraft tritt? Zeigen Sie auf, dass nun mehr Zeit für kreative, freudvolle Aufgaben bleibt.
Der Neurotransmitter Oxytocin wird ausgeschüttet, wenn ich mich auf Leader und meine Kollegen blind verlassen kann. Vertrauen wirkt stressminimierend. Gestalten Sie als Leader eine vertrauensvolle Atmosphäre, wo Mitarbeiter im Sinne ihrer Fähigkeiten agieren und sich weiterentwickeln können. Gute Leader definieren sinnvolle Aufgaben, die zu den jeweiligen Talenten passen. Sie schaffen Rahmenbedingungen, in denen die Mitarbeiter im gemeinsamen Flow Herausforderungen spielend meistern.
Motivieren und Erfolge feiern
Digitalisierung und Automatisierung fordert auch Führungskräfte. Welchen Rat haben Sie für Führungskräfte in ihrer Rolle als Schrittmacher?
Eigenmotivation ist für mich der Schlüssel zum Erfolg. Diese geht Hand in Hand mit der Frage: Woraus schöpft man als Führungskraft sein ureigenstes Erfolgserlebnis. Bei welchen Tätigkeiten handelt man lustvoll? Diese Tätigkeiten zu Papier zu bringen ist sehr hilfreich, um seine eigenen Motivatoren zu entdecken. Alle eigenmotivationsstärkenden Aktivitäten haben eine klare positive Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter.
Auch gute Laune ist ansteckend: Hat der Chef oder die Chefin gute Laune, so ist nachgewiesenermaßen das Betriebsklima besser, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren, die Krankenstandstage sind geringer und auch die Fluktuation.
Ebenso wesentlich: Laden Sie als Führungskraft regelmäßig die eigenen Batterien auf, schaffen Sie sich Ruheinseln und verordnen Sie sich Boxenstopps. Regenerative Stresskompetenz nennt man die Fähigkeit, Batterien effektiv wieder aufladen zu können.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten nutzen
Unterschiedliche Generationen haben gerade im Rahmen der Digitalisierung unterschiedliche Ansprüche an die Führungskraft. Wie gelingt es, diese Unterschiede erfolgreich zu nutzen?
Unternehmen neigen dazu, Monokulturen zu schaffen. In Zeiten mit wenig Veränderung kann dies ein praktikabler Weg sein. Im Umfeld des Umbruchs und der Unsicherheit ist es jedoch risikominimierender, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, sondern auf eine ganze Herde.
Diversity ist eine große Chance. Als Führungskraft kann man zukunftsfitte Teams schaffen, indem man verbindende Gemeinsamkeit entdeckt und stärkt und bereichernde Ungleichheiten fördert.
Menschen streben danach, sinnstiftende Arbeiten zu verrichten. Durch Automatisierung und Digitalisierung kann Zeit für kreative, freudvolle Arbeit frei werden.
Ich bin eine leidenschaftliche Bekennerin für individuelle Führung. Jede Generation, nein, jeder Mensch verlangt nach einem individuellen Führungsstil. Die Kunst als Führungskraft ist es, zwischen den Generationen zu vermitteln, Dialoge zu fördern, Spielregeln für das Miteinander zu definieren und Leistungen jedes einzelnen zu würdigen.
Gerade junge Menschen stellen im Arbeitsleben oftmals die Sinnfrage, denn hohe Gehälter sind keine Motivationsfaktoren für die Generation Z. Sie möchten in purpose- und IKIGAI-orientieren Unternehmen arbeiten. IKIGAI ist japanisch und bedeutet: Wofür zahlt es sich aus zu leben? Anhand von vier zentralen Fragen:
- Was liebe ich? (Begeisterung/Passion)
- Worin bin ich wirklich gut? (Berufung/Vocation)
- Wofür werde ich bezahlt? (Beruf/Profession)
- Was braucht die Welt? (Bedarf/Mission)
kommt man dem Idealzustand des Tuns näher. Für berufliche Fragestellungen sind im Idealfall die Schnittmengen von Beruf und Berufung besonders ausgeprägt.
Klare Kommunikation für erfolgreiche Teams
Welches Konfliktpotenzial sehen Sie bei der digitalen Transformation und wie kann man mit Leadership hier positiv entgegenwirken?
Wie bei jeder Veränderung gibt es auch bei der digitalen Transformation Mitarbeiter, die an dem Prozess mitarbeiten und daher auch mit den Themen vertraut sind. Auf der anderen Seite gibt es Mitarbeiter, die nicht einmal wissen, dass das Unternehmen an der Transformation arbeitet. Daher kommt einer gelungenen Kommunikation gerade in Zeiten des Wandels so große Bedeutung zu.
Mangelnde Kommunikation wirkt ausgrenzend. Es gibt auf der einen Seite die Wissenden, Eingeweihten und auf der anderen Seite die Unwissenden und Ahnungslosen. Bei letzterer Gruppe entsteht somit schnell das Gefühl „Ich bin es nicht Wert, dass man mit mir kommuniziert“. Gerade wenn wir von KI in der Arbeitswelt sprechen, ist die offene Kommunikation wichtig. Denn zu den Wissenden und Unwissenden gesellt sich noch der Roboter, der als weitere Bedrohung gesehen wird.
Wie wir aus einer Gallup-Studie wissen, ist mangelnde Kommunikation und unzureichende Wertschätzung für 75 % aller Kündigungen verantwortlich. Viel weniger Mitarbeiter kündigen, weil ihnen ihr Job nicht Spaß macht. Daher ist es aus meiner Sicht extrem wichtig, dass man nicht nur die technischen Weiterentwicklungen IT-Experten überträgt, sondern auch die Kommunikation in erfahrene Hände legt. Change-Kommunikation und die Einführung und Weiterentwicklung der Digitalisierung und Automatisierung ist ganz klar ein Change-Prozess, ist sowohl bei der Abteilung Kommunikation als auch im HR, so zum Beispiel bei einem HR-Business Partner, bestens aufgehoben.
Powercouple Mensch und Maschine
Abschließend noch eine Frage: Sie sind Speakerin beim Kongress Powercouple Mensch und Maschine. Was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Ihrem Slot erwarten?
Beim Kongress Powercouple Mensch und Maschine werde ich Tipps und Tricks für geeignete Interventionen geben, auf Fallen und Tücken der Digitalisierung aufmerksam machen und zeigen, wie man gerade bei so einem technokratischen Thema die Menschen in der Entwicklung ihrer Social Skills unterstützen muss und kann. Künstliche Intelligenz wird nur erfolgreich sein, wenn die menschliche Intelligenz inkl. Hausverstand zum Zug kommt.