Warum Entscheiden oft so schwerfällt

Manche Menschen empfinden das Treffen von Entscheidungen als besonders belastend und mit großer Unsicherheit verbunden. Der damit verbundene Stress ist ein wichtiges Thema in der Analyse von Entscheidungsprozessen.
Die psychologische Belastung der Entscheidungsfindung
Quellen von Stress und Unsicherheit
Die zunehmend komplexeren Auswahlmöglichkeiten im Konsumbereich bedeuten für viele Menschen Stress und Unsicherheit. Die große Anzahl an verfügbaren Produkten und Dienstleistungen ist oftmals überwältigend und kann die Entscheidungsfindung erschweren.
Hinzu kommt die enorme Menge an verfügbaren Informationen.
Diese kann überfordern und dazu führen, dass Menschen gar keine Entscheidung treffen. Durch die Flut an Informationen ergibt sich die Angst, eine falsche Wahl zu treffen. Die damit verbundenen negativen Konsequenzen oder verpassten Chancen, verursachen großen Stress.
“Choice Overload” und seine Konsequenzen
Der sogenannte “Choice Overload”, auch bekannt als „Overchoice„, tritt auf, wenn Konsument*innen eine zu große Auswahl erhalten. Dies kann zu Unzufriedenheit, Entscheidungsermüdung und sogar zur Aufschiebung der Entscheidung führen. Studien zeigen, dass eine zu große Auswahl sich schlecht auf die Zufriedenheit der Entscheidung auswirkt. Zudem kann sie die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes verringern.
Eine weitere Folge des “Choice Overload” ist die sogenannte Entscheidungsermüdung. Hierbei wird es nach einer längeren Phase der Entscheidungsfindung immer schwieriger, eine gute Entscheidung zu treffen.
In solchen Momenten greifen Konsumenten möglicherweise auf die Standardoption zurück oder vermeiden es ganz, eine Entscheidung zu treffen. Um mit „Choice Overload“ umzugehen, können Konsument*innen Empfehlungen einholen oder sich auf einfache Faustregeln verlassen.
Der Einfluss von Verlustaversion und antizipiertem Bedauern
Unter der Verlustaversion versteht man das psychologische Prinzip, dass Verluste stärker empfunden werden, als gleichwertige Gewinne. Diese verstärkt die psychische Belastung bei der Entscheidungsfindung enorm. Mögliche Verluste werden von Konsument*innen stärker gewichtet als mögliche Gewinne.
Das macht es schwieriger, Entscheidungen zu treffen. Genauso wie der Gedanke an das Bedauern, das man empfinden könnte, wenn man die falsche Wahl trifft. Diese Erwartung kann dazu führen, dass Entscheidungen übervorsichtig und risikoscheu getätigt werden, oder letztendlich sogar komplett vermieden werden.
Buyer’s Remorse und Methoden der Dissonanzreduktion
Besonders bei teuren oder Status relevanten Produkten kann es zu einer sogenannten Buyer’s Remorse kommen. Diese beschreibt eine Form von Kaufreue oder Selbstzweifeln. Typische Methoden, mit denen Konsument*innen diese Reue abmildern, umfassen:
- Suche nach positiven Rezensionen zur bestätigenden Rückversicherung.
- Abwerten der verworfenen Alternativen („Die hatten doch bestimmt auch Nachteile“).
- Emotionale Umdeutung („Eigentlich ging es mir auch um den Spaß am Kauf“).
- Nutzen von Rückgabemöglichkeiten (falls möglich).
Evidenzbasierte Empfehlungen für ein positiveres Entscheidungserlebnis
Maßgeschneiderte Empfehlungen für spezifische Kundensegmente
Die folgende Tabelle fasst die maßgeschneiderten Empfehlungen für verschiedene Kundensegmente zusammen:
Emotionale Gestaltung am Weg zur Entscheidung: Empfehlungen und Best Practices
Allgemeine Empfehlungen zur Entscheidungsunterstützung
Reduktion von Wahlmöglichkeiten: Wird das Produktportfolio strukturiert und in übersichtliche Kategorien geteilt, wird die Überforderung weniger groß. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden sich überwältigt fühlen und die Entscheidung hinausschieben. Eine ausgewogene, übersichtliche Auswahl erleichtert den Vergleich.
Transparente Preiskommunikation: Kognitive Verzerrungen wie der Ankereffekt oder Framing-Effekte beruhen teilweise auf unklaren oder irreführenden Preisangaben. Werden Kosten, Rabatte und Zusatzleistungen klar dargestellt, kann das ebenso die Entscheidung erleichtern und das Vertrauen stärken.
Emotionale Sicherheit vermitteln: Bei Käufen mit höherem Risiko – wie teuren Geräten oder Versicherungen – helfen Garantien oder die Möglichkeit der Rückgabe. Sie nehmen die Angst, etwas falsch zu machen, und machen den Kauf leichter. Eine einfache und faire Rückgaberegel steigert die Zufriedenheit und senkt die Hemmschwelle.
Klare Produktinformationen und Vergleichsportale: Hilfsmittel wie Vergleichsportale oder Checklisten unterstützen den systematischen Überblick über Alternativen. Dadurch wird es einfacher, eine genaue Bewertung zu erhalten. Vor allem für Kund*innen, die sich stärker mit dem Thema beschäftigen. Gleichzeitig sollte aber darauf geachtet werden, dass die Vergleichsportale nicht selbst zu einer Überlastung mit Informationen führen.
Garantien & Kulanz: Rückgaberechte verringern Verlustängste.
Ansprechende Atmosphäre: Positive Emotionen können Unsicherheiten reduzieren.
Authentische Kommunikation und Storytelling: Emotionale Geschichten, die realistische Anwendungsszenarien und echte Kundenerfahrungen aufzeigen, können Unsicherheiten abbauen. Kunden bauen Vertrauen auf, wenn sie sehen, wie ein Produkt tatsächlich in ihrem Alltag eingesetzt wird. Eine authentische, konsistente Markengeschichte stärkt zudem die positive Stimmung und erleichtert die Identifikation mit dem Produkt.
Gestaltung positiver Entscheidungsprozesse in allen Phasen
Konsument*innen treffen Entscheidungen innerhalb von drei Phasen eines Kaufes. Das ist zum einen die Vorkaufsphase (Bedarfswahrnehmung, Informationssuche), der Kaufakt (Auswahl, Zahlung) und die Nachkaufphase (Nutzung, Bewertung, Weiterempfehlung.) Folgende Handlungsempfehlungen dienen dazu, die emotionale Qualität und die Effizienz des Entscheidungsprozesses in jeder Phase zu erhöhen:
- Vorkaufsphase: Klarheit und Orientierung
- Bedarfswahrnehmung: Unternehmen können Hinweise liefern, die ein vorhandenes Bedürfnis bewusst machen, ohne es künstlich zu übersteigern. Z.B.: Echte Kundenstorys, in denen relevante Alltagsprobleme dargestellt werden.
- Informationssuche:
- Übersichtliche Online-Präsenzen, FAQ-Bereiche, Vergleichstools und unabhängige Testberichte
- Klare Kennzeichnungen (z. B. Gütesiegel, Zertifikate) zur Vertrauensbildung
- Reduktion von übermäßigem Information Overload durch Filterfunktionen und kuratierte Empfehlungen
- Kaufphase: Emotional positives Einkaufserlebnis
- Atmosphäre: Einrichtung, Beleuchtung, Musik oder Website-Design spielen eine große Rolle, sowohl im stationären Handel als auch online. Eine angenehme Atmosphäre kann Stress reduzieren und positive Emotionen fördern.
- Usability und Support: Kunden sollten leicht verständliche Optionen zum Kaufabschluss haben (optimierte Checkout-Prozesse, Zahlungsoptionen). Live-Chats oder Servicemitarbeiter können Fragen unmittelbar klären, wodurch Unsicherheiten abgebaut werden.
- Wahrgenommene Fairness: Faire und transparente Preise, zuverlässige Lieferzeiten und gute Rückgabemodalitäten stärken das Vertrauen. Darüber hinaus erhöht das Wissen um eine faire Produktion oder Nachhaltigkeit (z. B. Fair-Trade-Siegel) bei vielen Konsumenten die emotionale Zufriedenheit.
- Nachkaufphase: Zufriedenheit und Loyalität fördern
- Rückmeldungen und Follow-up: Unternehmen sollten aktiv Feedback einholen und bei Bedarf Hilfestellung bieten (z. B. Tutorials, Service-Hotline).
- Positives Feedback verstärkt die Kaufentscheidung, negative Aspekte können frühzeitig adressiert werden.
- Kognitive Dissonanz reduzieren: Bestätigungen wie „Sie haben eine gute Wahl getroffen“, ein Rabatt für den nächsten Kauf oder ein kleines Dankeschön können das gute Gefühl nach dem Kauf stärken. Besonders bei teuren Produkten.
- Community-Building: Kundenforen, Social-Media-Gruppen oder exklusive Events für Markenfans können ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen und den Nachkaufprozess positiv begleiten.
Informationslage: Klarheit vs. Unklarheit
Die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden und wie vollständig bzw. eindeutig sie sind, hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess.
- Klare und saubere Informationslage: Definiert durch Vollständigkeit, Eindeutigkeit, Verständlichkeit und geringe Komplexität der relevanten Daten.
- Beurteilungssicherheit: Klare Informationen ermöglichen es dem Entscheider, die Optionen und ihre potenziellen Konsequenzen besser einzuschätzen. Dies führt zu einer höheren subjektiven Sicherheit bezüglich der Richtigkeit des eigenen Urteils. Die Wahrscheinlichkeit von Fehlinterpretationen sinkt.
- Entscheidungsfähigkeit: Mit klaren Informationen fällt es leichter, Alternativen systematisch zu vergleichen und eine fundierte Wahl zu treffen. Der kognitive Aufwand zur Verarbeitung ist geringer, was die Fähigkeit zur aktiven Entscheidung stärkt.
- Kontrolle über den Prozess: Klare Informationen vermitteln das Gefühl, den Entscheidungsprozess zu verstehen und zu beherrschen. Diese “Perceived Control” ist wichtig, denn sie bringt Zufriedenheit mit der Entscheidung und der Motivation, diese umzusetzen.
- Unklare und unsaubere Informationslage: Gekennzeichnet durch Ambiguität, Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit oder hohe Komplexität.
- Beurteilungssicherheit: Unklare Informationen führen zu Unsicherheit und Zweifel. Die Einschätzung der Optionen und ihrer Folgen wird erschwert, was die subjektive Sicherheit des Urteils mindert. Dies kann zu Zögern, Aufschieben der Entscheidung (Decision Paralysis) oder dem Gefühl der Überforderung führen.
- Entscheidungsfähigkeit: Die Fähigkeit, rational abzuwägen, ist eingeschränkt. Entscheider greifen unter solchen Bedingungen vermehrt auf Heuristiken (Faustregeln) oder intuitive Urteile zurück, die fehleranfällig sein können. Der Vergleich von Alternativen wird mühsam oder unmöglich.
- Kontrolle über den Prozess: Sind die Informationen unklar, sinkt die wahrgenommene Kontrolle drastisch. Das Gefühl, der Situation ausgeliefert zu sein oder „im Dunkeln zu tappen“, kann entstehen. Das kann zu Stress und einer Abneigung gegenüber der Entscheidungssituation führen.
Einfachheit und Bequemlichkeit des Entscheidungsprozesses
Menschen sind oft „kognitive Geizhälse“ – sie bevorzugen Prozesse, die wenig mentalen Aufwand erfordern. Einfachheit und Bequemlichkeit sind daher mächtige Treiber im Entscheidungsverhalten.
- Kognitive Leichtigkeit (Cognitive Ease): Prozesse, die einfach und reibungslos wirken, lösen ein positives Gefühl aus und werden meist bevorzugt. Das lässt sich zum Beispiel durch eine klare Darstellung, eine intuitive Bedienung (etwa bei Online-Shops) oder weniger Auswahlmöglichkeiten erreichen.
- Effort-Accuracy Trade-off: Menschen überlegen oft unbewusst, wie viel Mühe eine Entscheidung macht und wie genau das Ergebnis sein soll. Wirkt etwas durch viele Informationen oder Optionen aufwändig, entscheiden sich manche für die einfache und bequeme Lösung. Auch wenn diese vielleicht nicht perfekt ist.
- Choice Overload: Zu viele Möglichkeiten bei der Auswahl können überfordern. Das wiederum kann dazu führen, dass man sich schwerer entscheidet und später weniger zufrieden mit der Wahl ist. Selbst wenn man denkt, mehr Auswahl sei besser. Weniger Komplexität und einfachere Entscheidungen werden in solchen Fällen als angenehm empfunden.
- Heuristische Verarbeitung: Einfachheit begünstigt den Einsatz von Faustregeln. Wenn sich eine Entscheidung leicht anfühlt, wird sie oft als richtig wahrgenommen – dieses Phänomen nennt man auch „Processing Fluency Heuristic”.
Bekanntheit des Produktes, der Dienstleistung bzw. der Marke
Vertrautheit spielt eine wichtige Rolle – in komplexen Situationen dient sie oft als einfache Entscheidungshilfe.
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Mere-Exposure-Effekt:
Wird z.B. eine Marke immer wieder neutral wahrgenommen, kann das dazu führen, dass diese positiv bewertet wird. Bekanntheit erzeugt Sympathie.
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Familiarity Heuristic:
Was bekannt ist, wird oft als sicherer, besser oder vertrauenswürdiger eingeschätzt. Wenn man unsicher ist oder wenig Informationen hat, gilt etwas Bekanntes oft als vertrauenswürdig oder gut – nach dem Motto: Was ich kenne, ist wahrscheinlich auch gut.
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Reduktion des wahrgenommenen Risikos:
Die Wahl eines bekannten Produkts oder einer bekannten Marke reduziert das subjektiv empfundene Risiko einer Fehlentscheidung. Der Entscheider greift auf vermeintlich gesichertes Wissen (oder zumindest ein Gefühl der Vertrautheit) zurück.
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Verarbeitungsflüssigkeit:
Vertraute Reize (z. B. Bilder, Wörter) werden im Kopf schneller und einfacher verarbeitet. Diese sogenannte „Verarbeitungsflüssigkeit“ fühlt sich gut an.
Das kann dazu führen, dass man denkt, etwas sei besser oder richtiger, obwohl das nicht unbedingt stimmt.
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Mood-as-Information-Theorie
Emotionen und Stimmungen stören rationales Entscheiden nicht – sie sind ein fester Bestandteil davon. Die „Mood-as-Information“-Theorie erklärt, warum das so ist.
- Grundidee: Menschen verlassen sich bei Entscheidungen oft auf ihre momentane Stimmung oder ihre Gefühle. Besonders dann, wenn etwas schwierig zu beurteilen ist. Unbewusst stellen sie sich dabei die Frage: „Wie fühle ich mich dabei?
- Informationswert der Stimmung: Positive Stimmungen signalisieren oft eine sichere, problemlose Umgebung und führen zu globaler, heuristischer und kreativer Verarbeitung. Negative Stimmungen signalisieren eine problematische Umgebung und fördern eine detaillierte, systematischer und analytischer Verarbeitung.
- Einfluss auf Urteile: Eine gute Stimmung führt eher zu positiveren Bewertungen von Objekten, Personen oder Situationen, während eine schlechte Stimmung zu negativen Bewertungen führt. Dies gilt besonders, wenn die Stimmung nicht eindeutig auf eine externe Ursache zurückgeführt werden kann.
- Interaktion mit anderen Faktoren:
- Bei unklaren Informationen kann der Einfluss der Stimmung auf das Urteil besonders stark sein. Der Grund dafür ist, dass weniger objektive Daten zur Verfügung stehen und das „Bauchgefühl“ an Gewicht gewinnt.
- Ist ein Prozess einfacher, kann das eine positive Stimmung erzeugen. Das wiederum beeinflusst das Urteil positiv. Umgekehrt kann ein komplizierter Prozess negative Stimmung auslösen.
- Ein Objekt kann bekannter wirken, wenn es leichter zu verarbeiten ist. Diese leichtere Verarbeitung kann positive Gefühle auslösen, die das Urteil über das Objekt beeinflussen.
Fazit: Auf Dem Weg zu einer emotional positiven Konsumentenentscheidung
Menschen unterscheiden sich in Alter, Einstellungen, Interessen, Werten und Persönlichkeit. Deshalb treffen sie Entscheidungen auf unterschiedliche Weise. Wenn man diese Unterschiede versteht, kann man gezielt Strategien entwickeln, um Kundinnen beim Entscheiden zu unterstützen.
Die vorgeschlagenen Empfehlungen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind auf bestimmte Kundengruppen zugeschnitten. Sie sollen helfen, Entscheidungen angenehmer und passender zu gestalten. Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, wie ihre Kundinnen denken und fühlen. Nur so können sie Werbung, Produkte und Erlebnisse besser an deren Wünsche anpassen.