Persönliche Fähigkeiten im Recruiting-Prozess
Wer bei Bewerbungen heutzutage punkten möchte, muss vor allem auch persönliche Stärken vorweisen und darf sich nicht nur auf die fachlichen Fähigkeiten fokussieren. Wir haben mit Personalexpertin Mag. iur Carina Stiglbauer, MA, MSc (KCL), Assoc CIPD gesprochen. Sie hat uns aus der Sichtweise einer Recruiterin einen Blick hinter die Kulissen gewährt und erklärt, welche Soft Skills besonders relevant sind und wie Personaler*innen die passenden Eigenschaften herausfinden.
Fachliche vs. persönliche Fähigkeiten
Wie wichtig sind für Sie persönliche Fähigkeiten bei Bewerber*innen? Für welche Stellen sind die persönlichen Fähigkeiten wichtiger, für welche die fachlichen?
Welche Rolle persönliche Fähigkeiten bei Bewerber*innen spielen, kommt sehr auf die Stelle an. Für manche Stellen braucht man mehr, für andere weniger. Bei einigen Berufen stehen natürlich die fachlichen Qualifikationen im Vordergrund, da ohne sie der Beruf nicht ausgeübt werden kann. Chirurg*innen brauchen beispielsweise eher fachliche Fähigkeiten, ebenso wie Elektriker*innen, für deren Berufsausübung eine Ausbildung notwendig ist. Jedoch sollten auch in diesen Berufen die persönlichen Fähigkeiten nicht außer Acht bleiben. Auf der anderen Seite gibt es Berufsgruppen, die ohne eine klassische Fachausbildung auskommen. Hier stehen dann die persönlichen Fähigkeiten im Vordergrund und die fachlichen können angeeignet werden. Der Assistenzbereich ist hierfür ein typisches Beispiel. Hierfür notwendig sind vor allem Fähigkeiten wie Organisationsfähigkeit, Zeitmanagement oder eine schnelle Auffassungsgabe.
Meistens ist es aber die Mischung aus Hard und Soft Skills, die bei Bewerber*innen ausschlaggebend ist.
Grundsätzlich sind persönliche Fähigkeiten in allen Fällen aber ein sehr wichtiger Punkt, denn während man fachliche Skills beibringen kann, ist das bei persönlichen Fähigkeiten nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Emotionale Intelligenz ist beispielsweise schwer beizubringen. Außerdem zeigen Studien immer wieder: Die Arbeitgeberattraktivität wird maßgeblich durch ein gutes Verhältnis zu Kolleg*innen und Vorgesetzten bestimmt. Das heißt, das Teamgefüge spielt eine große Rolle. Man verbringt viel Zeit am Arbeitsplatz und daher ist es wichtig, dass man gerne mit den Kolleg*innen zusammenarbeitet. Ein*e Bewerber*in sollte also auf persönlicher Ebene passen. Was sich auf jeden Fall gezeigt hat: Kündigungen oder Ermahnungen liegen fast immer an Soft Skills.
Ganz entscheidend sind persönliche Fähigkeiten auch bei Führungskräften. Hier passiert es leider oft, dass aus einer Fach- eine Führungskarriere entsteht. Ein fachlicher Experte/eine Expertin wird also in eine Führungsposition gehoben, für die er oder sie aber eigentlich nicht die persönlichen Fähigkeiten hat. Ganz dem Ausdruck entsprechend „Man verlässt nicht das Unternehmen, sondern seinen Chef“ wird dadurch aber der Fachkräftemangel verstärkt. Denn wie oben schon erwähnt, ist eine gute Beziehung zum Vorgesetzten ein wichtiges Kriterium dafür, ob Mitarbeitende sich im Arbeitsalltag wohlfühlen und im Unternehmen bleiben.
Mit welchen Soft Skills punkten Bewerber*innen im Recruiting-Prozess?
Heutzutage wird es immer häufiger, Mitarbeiter*innen wegen ihrer Soft Skills anzustellen und einen Job um die Persönlichkeit herum zu bauen. Hat jemand Soft Skills, mit denen man arbeiten kann und will, ergibt sich der Rest von selbst. Allgemein wichtige persönliche Eigenschaften sind Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. Bei letzterer kommt es allerdings wieder stark auf den Job an, wie sehr sie ausgeprägt sein sollte. Im Kunden- und im Bürobereich ist beispielsweise mehr Kommunikation erforderlich als etwa in einem Labor, wobei natürlich auch hier eine exakte Kommunikation nicht fehlen darf. Letztendlich entscheidet das Gesamtpaket an verschiedenen persönlichen Eigenschaften, ob jemand zum Team und zum Unternehmen passt.
Im Bewerbungsgespräch punkten
Woran lesen Sie die persönlichen Fähigkeiten von Bewerber*innen ab?
Für die persönlichen Fähigkeiten gibt es im Laufe des Bewerbungsprozesses mehrere Anhaltspunkte: Ich beginne mit LinkedIn-Daten bzw. den Unterlagen, die mir zur Verfügung gestellt werden, zumeist einem Lebenslauf und einem Motivationsschreiben (wobei ich kein großer Fan der Motivationsschreiben bin, da diese oft Standardphrasen beinhalten und es durch den zusätzlichen Aufwand zu weniger Bewerbungen kommt). Aus diesen Daten lassen sich jedoch vor allem die fachlichen Fähigkeiten ablesen. Eine Möglichkeit hier sind z.B. die Hobbys, wobei diese immer weniger angegeben werden. Ein nächster Schritt ist der telefonische Erstkontakt. Hier schauen Recruiter*innen darauf, wie der Bewerber/die Bewerberin im (spontanen) Telefongespräch reagiert. Während man die fachlichen Fähigkeiten nun auch durch Tests und Prüfungen herausfinden kann, funktioniert das bei der persönlichen Eignung aber vor allem durch Gespräche. Das heißt, das Bewerbungsgespräch ist hierfür die wichtigste Phase.
Im lockeren Gespräch oder beim Erzählen über den Werdegang machen sich die Recruiter*innen ein Bild von der Persönlichkeit.
Wie können Bewerber*innen ihre persönlichen Fähigkeiten bestmöglich unter Beweis stellen?
Man sollte sich auf das Gegenüber einstellen und zeigen, dass die Vorstellungen auch auf persönlicher Ebene zusammenpassen. Die Gesprächspartner müssen sich vorstellen können, mit dieser Person gut zusammenarbeiten zu können. Hier geht es viel darum, Sympathie zu schaffen und durch soziale Kompetenzen eventuelle fachliche Schwächen wettzumachen. Man sollte sich auf seine guten Fähigkeiten konzentrieren und viel von sich erzählen. Ein gutes Gespür für den Kontext hilft dabei, die Stimmung des Gesprächs zu erfassen und auch wahrzunehmen, ob Scherze und ein lockeres Gespräch möglich sind. Auch auf die Körpersprache sollte man achten und am besten die des Gegenübers spiegeln.
Mit der Zunahme an Online-Gesprächen kommt ein neuer Unsicherheitsfaktor hinzu. Aber wenn man sich hier gut vorbereitet und die technischen Unsicherheitsfaktoren auslotet, gelten hier dieselben Regeln wie vor Ort.
Wie können auf der anderen Seite persönliche Schwächen erklärt und relativiert bzw. ausgeglichen werden?
Jeder Mensch hat Schwächen. Man sollte sie gut kennen und überlegen, ob man alle offenlegen möchte. Für diejenigen, die man preisgibt, überlegt man im Vorfeld, wie man vermittelt, dass man daran arbeitet. Schwächen wie Unpünktlichkeit oder Unzuverlässigkeit schränken z. B. die Jobchancen ein. Ich persönlich bin kein Fan davon, nach Stärken und Schwächen zu fragen, weil oft Schwächen genannt werden, die in Wirklichkeit Stärken sind. Diese Frage taucht allerdings immer noch oft in Gesprächen auf und mein Tipp wäre eine Antwort in die Richtung: „Hätten Sie mich vor 3 Monaten gefragt, hätte ich diese Schwäche genannt, jetzt habe ich daran gearbeitet und die Situation ist nun anders.“