Arbeitsmarkt quo vadis?
„Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?“ – Diese „heiße“ Frage haben am 8. Juni AMS-Chef Dr. Johannes Kopf, LL.M., Mag.a Sandra Ziffrein (Leitung HR bei DerStandard) und Ing. Mag. Alfred Mahringer, PhD, MBA (Director HR bei A1 Telekom Austria) im Rahmen des HR Circles mit den anwesenden Gästen in der ARS Akademie diskutiert. Karin Bauer von DerStandard hat durch die Diskussion geführt.
Umdenken beim Thema Recruiting und Fachkräftemangel
Eines ist in der Diskussion ganz klar herausgekommen: Es muss ein Umdenken bei den Unternehmen stattfinden, wenn es um das Thema Recruiting und Fachkräftemangel geht. Aus einem Arbeitgebermarkt ist ein Arbeitnehmermarkt geworden, das heißt es gibt zu wenige Fachkräfte für das Überangebot an offenen Jobs. Nun beginnen Fachkräfte zu entscheiden, bei welchem Unternehmen sie starten möchten. Einige Branchen – wie zum Beispiel Industrieunternehmen – kennen diese Problematik bereits aus der Vergangenheit und haben sich schon Gegenstrategien zum Fachkräftemangel überlegt, für andere ist diese Situation neu und voller Herausforderungen. Das merkt auch das AMS, das derzeit im Rahmen der Business Tour bereits 7.500 Betriebe österreichweit besucht hat.
Johannes Kopf: „Im Rahmen der Impulsberatung on demand fördern wir bis zu 10 Tage Strategieberatung mit Top-Beratern zu 100 %.“
AMS fördert Strategieberatung
„Das Interesse an den Gesprächen ist heuer durchgängig sehr hoch. Die Fragen: ‚Wie finde ich Fachkräfte?‘ und ‚Wie kann ich meine Arbeitgeberattraktivität steigern?‘ sind dabei besonders relevant. Daher haben wir unsere Premiumförderung, die Impulsberatung. Bei dieser beraten Expert_innen von Deloitte und ÖSB Unternehmen, wie diese den besonderen Herausforderungen des Arbeitsmarktes mit einer Employer Branding Strategie entgegentreten können“, stellte Johannes Kopf die Impulsberatung on demand vor. Bis zu 10 Tage sind zu 100 % förderbar. „Derzeit haben wir 140.000 offene Stellen und wir merken, dass wir derzeit auch Menschen unterbringen, die vorher schwer vermittelbar waren“, ergänzte Kopf.
Arbeitsmarkt wird diverser
Sandra Ziffrein kann diese Entwicklung nur bestätigen. DerStandard beschreitet hier probeweise neue Wege: „Wir sprechen derzeit gezielt Langzeitarbeitslose an, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Aber dafür müssen Unternehmen auch bereit sein, umzudenken. Die Integration kann nur gelingen, wenn man als Unternehmen extra Coachings und spezielle Trainings on the Job anbietet. Voraussetzung dafür ist, dass interne Ressourcen freigespielt werden.“
Gamechanger Home-Office
Wie so viele Unternehmen setzt auch derStandard auf Remote Working. Das war nicht nur wegen der Pandemie notwendig, sondern hat sich jetzt auch als geeignetes Tool erwiesen, um Mütter im Job zu halten. Auch A1 forciert Home-Office, wenn es der Job ermöglicht. Von den rd. 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten rd. 5.000 auch von zu Hause aus. Dies führt unter anderem dazu, dass sich die Nachfrage nach einer unternehmensinternen Kinderbetreuung wesentlich reduziert hat.
Alfred Mahringer: „Ich sehe den Umbruch als Fitnessprogramm für die Unternehmen. Am Ende werden nur die fittesten bestehen.“
Alfred Mahringer von A1 betonte in seinem Statement, dass Flexibilität gefragt sei: „Bei uns ist Teilzeit sehr präsent. Vorbild für uns sind dabei die Niederlande. Denn dort arbeiten Männer und Frauen in Teilzeit und die Anzahl der Stunden liegt bei durchschnittlich 30 Stunden. Weiters sehe ich, dass der Arbeitsmarkt viel internationaler und der Wettbewerb intensiver wird. Am Ende werden nur die fittesten Unternehmen bestehen können.“
Ist Vollzeitarbeit ein Auslaufmodell?
Karin Bauer stellte auch die Frage, ob die Zukunft der Arbeit darin läge, dass weniger gearbeitet wird. Alfred Mahringer sah darin kein Auslaufmodell, aber die Nachfrage nach flexiblen Zeitmodellen steigt eindeutig: „Wir sehen einen Trend zur 4-Tage-Woche, auch werden Lebensphasenmodelle, die sich an die jeweilige persönliche Situation anpassen, immer wichtiger. Dies geht für mich einher mit dem new deployment deal von Gartner.
Sandra Ziffrein bestätigte diesen Ansatz und ergänzte: „Es geht meiner Meinung nach oft nicht um die Frage Vollzeit, sondern darum, wieviel Zeit arbeite ich tatsächlich. Für viele besteht einfach immer öfter der Wunsch, nicht 40 Stunden plus Überstunden zu arbeiten, sondern tatsächlich 40 Stunden.“
Sandra Ziffrein: „Immer mehr Menschen möchten Vollzeit und nicht Vollzeit plus arbeiten.“
Strategien gegen den Fachkräftemangel
Für Johannes Kopf lagen die notwendigen Handlungspunkte ganz klar auf dem Tisch: „Es braucht einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder ab einem Jahr. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten länger im Arbeitsprozess gehalten werden und wir brauchen auch mehr Zuwanderung im Rahmen der Rot-Weiß-Rot Karte und der EU.
Für Kleinunternehmen wird dieser Wandel schwer, waren sich die Diskutanten einig. „Man muss als Unternehmen umdenken und umlernen. HR-Themen werden ebenfalls komplexer werden. Weiters wird die völlige Verfügbarkeit von Arbeitskräften zu Spitzenzeiten nicht mehr funktionieren. Im Tourismus bedeutet dies zum Beispiel auch, dass wir uns als Gast umstellen müssen“, betonte Kopf.