Führungskräfte als Spannungsmanager

ARS Akademie

Jede Generation tickt anders. Spannungen sind vorprogrammiert. Wie gelingt es, dass mehrere Generationen unter einem Dach an einem Strang ziehen? Welchen Beitrag leistet das Generationen-Management, um Mitarbeiter zu finden und zu halten? Diese Fragen beantwortet Leadership-Mentorin Mag. Pia Kasa.

Aktuelle Herausforderungen im Generationen-Management

Vier bis fünf Generationen können heute in einem Unternehmen tätig sein. Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch?

Pia Kasa: Die erste Herausforderung besteht darin, dass die verschiedenen Generationen Unterschiede anerkennen. Sie müssen auch ihre Wahrnehmungsfilter gut verstehen und dabei Stereotypen entlarven. Man muss verstehen, dass Unterschiede Möglichkeiten und Vielfalt bedeuten. Es bedeutet auch, mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft viel besser umgehen zu können. Die fünf Generationen haben wir innerhalb des Unternehmens, aber auch innerhalb der Gesellschaft, also auch unter den Kunden.

Wenn die Generationen im Unternehmen die Generationen außerhalb des Unternehmens verstehen, ist das für Kommunikation, Produktentwicklung und Innovation wichtig und förderlich.

Aus den unterschiedlichen Generationen heraus gibt es unterschiedliche Stärken, Herangehensweisen und Werte. Für Führungskräfte heißt das, dass Spannungen entstehen. Da sie es aber nicht allen recht machen können, werden sie zu Spannungsmanagern.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Büroausstattung. Ein Mitarbeiter der Generation X möchte seinen Computer, seinen Arbeitsplatz, seine persönliche Arbeitsplatzgestaltung. Für Mitarbeiter der Generation Y oder Z ist das deutlich leichter. Sie arbeiten auch vom Kaffeehaus aus. Die Pandemie hat dieser Entwicklung natürlich einen starken Boost gegeben. Für die Generation X war das aber zu Beginn eine Herausforderung, wobei das natürlich immer von den jeweiligen Persönlichkeiten und der IT-Affinität abhängt. Das müssen wir stets mitbedenken.

In einem Inhouse-Training habe ich das Thema Handynutzung während der Pausen stark miterlebt. Die Jungen gehen gleich ans Handy und prüfen Nachrichten und Neuigkeiten. Die Älteren empfinden das fast als Beleidung, wenn sich die Jungen ihren Handys und nicht den Arbeitskollegen im persönlichen Gespräch zuwenden. Führungskräfte müssen da klare Rahmenbedingungen schaffen und Regeln festlegen.

Generationen im Arbeitsleben

Wodurch unterscheiden sich die Generationen in ihren Ansprüchen und Vorstellungen im Arbeitsleben und was bedeutet das für Führungskräfte?

Pia Kasa: Vorab ist klar: Die vielen Babyboomer, die schon in Pension sind oder bald in den Ruhestand gehen werden, und die ausgedünnte Generation Z führen zu einem ausgefegten Arbeitsmarkt. Das ist die, mittlerweile quer durch fast alle Branchen, enorme Herausforderung unserer Zeit. Zu den Unterschieden: Bei den Babyboomern ist der Beruf ganz großgeschrieben, die Solidarität und Kollegialität ist enorm, der Karriereweg ist geradlinig. Unter ihnen gibt es viele Workaholics, denen Statussymbole wichtig sind.

Bei den nachkommenden Generationen verschieben sich diese Prioritäten. Die Generation X will mehr mitgestalten, sich einbringen und selbstverwirklichen. Die Generation Y zeigt mehrere Gruppierungen. Viele sind sehr strebsam und karriereorientiert. Andere leben nach dem Motto „Mal schauen, was kommt“ und die dritte Gruppe rückt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die work life balance, stark in den Fokus. Die Generation Y fragt nach dem Sinn. Sie will verstehen worin der Sinn ihrer Arbeit liegt. Und sie lassen sich nicht mehr viel gefallen. Stichworte: Macht, Einfluss und Nachhaltigkeit. Sehen wir uns die Fridays for Future Bewegung an. Da bewegt sich Vieles massiv. Ich frage mich ja schon lange, wann in Unternehmen wirklich der Mensch im Mittelpunkt steht. Nicht nur als Plattitüde in Prospekten, sondern wahrhaft ernst gemeint. Unternehmen, die den Menschen im Mittelpunkt leben, haben eine andere Dynamik und Identifizierung, auch von jungen Menschen, denen Sustainability wichtig ist.

Die Generationen Y und Z sind ein enormes Tempo als auch Abwechslung gewöhnt. Daher fällt es ihnen schwer, fokussiert bei einer Sache zu bleiben. Angehörige der Generation X können das nur schwer nachvollziehen. Für Führungskräfte ergibt sich daraus die Aufgabe, ein passendes Rhythmusgeschehen zu schaffen.

Diese Generationen sind es auch gewohnt, Feedback zu bekommen, am besten ein positives. Eine Führungskraft der Babyboomer oder Generation X tut sich hier oft schwer mit ihrem Motto „Nicht geschimpft, ist genug gelobt“. Weil sie sich durch ihr hohes Tempo oft verzetteln, brauchen sie auch eine engere Führung für das Gefühl der Stabilität und Sicherheit.

Wenn Führungskräfte bzw. Organisationen all das wissen, können sie auf ihre Mitarbeiter eingehen. Die drängende Frage ist jetzt: Wie halte ich meine Leute bei der Stange? Eine Gallup-Studie (Engagement Index Deutschland 2021, April 2022) zeigt, dass das Engagement enorm zurückgegangen ist. Das kommt Unternehmen teuer. Wenn man auf unterschiedliche Generationen eingehen kann, hat das großen Mehrwert.

Leute bleiben, wenn sie sehen, dass auf ihre Werte und Bedürfnisse Rücksicht genommen wird.

Generationen-Management im Recruiting

Was bedeutet das im Recruiting?

Pia Kasa: Mitarbeitende, die alle zwei Jahre den Job wechseln, gelten heute nicht mehr als Jobhopper. Unter der Generation X war das möglicherweise noch verdächtig, unter den Jungen ist das ganz anders. Wichtig ist auch im Recruiting-Gespräch nach den Werten des Bewerbers zu fragen und zu prüfen, ob das mit den Unternehmenswerten und mit der Unternehmens- und Teamkultur zusammenpasst. Dabei findet man auch heraus, was diese Generation braucht, damit sie bleibt. Recruiting ist ja ein massiver Aufwand und Menschen brauchen im Schnitt sechs Monate bis sie produktiv werden. Das ist mit hohen Kosten verbunden. Zu klären ist weiteres, wo und wie ich mich als Unternehmen attraktiv und modern darstelle. In der Welt der jungen Generationen sind Videos Teil des Lebens. Deshalb könnten ja Bewerbungsvideos das Bewerbungsschreiben ersetzen.

Generationen & Weiterbildung

Wo liegen die Unterschiede beim Thema „Lernen“ bzw. Weiterbildung?

Pia Kasa: Babyboomer und Generation X sind den persönlichen Austausch gewohnt und schätzen das klassische Seminargeschehen. Generation Y und Z sind die gesamte mediale Spielweise gewohnt. Eine generationengerechte Variante sind abwechselnde Präsenz- und Online-Einheiten über mehrere Tage hinweg mit starker Communitybildung, in der man miteinander wächst. Generation Y und Z mögen das spielerische und humorvolle Lernen. Ältere Generationen fällt es hingegen oft schwer, sich darauf einzulassen.

Interessant ist auch, wen die verschiedenen Generationen als Experten anerkennen. Die Jungen sind viel skeptischer.  Akademische Titel reichen nicht aus, um bei ihnen Expertenstatus zu erreichen.

Auffällig ist, dass viele jungen Menschen Podcasts hören und so Know-how, wenn auch natürlich keine Umsetzungskompetenz, aufbauen. Aus ihnen heraus, ohne dass es der Vorgesetzte verlangt. Hier tun sich neue Lernprozesse auf.

Generationenbeziehungen fördern

Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen setzen, um Generationenbeziehungen zu fördern?

Pia Kasa: Im Zentrum stehen gesunde, leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter in einem prosperierenden und zukunftssicheren Unternehmen. Man kann also an der Arbeitsumgebung und mit Online/Offline-Regelungen arbeiten und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung oder Vereinbarkeit setzen. Eine gute Möglichkeit ist auch das Mentorship mit wertschätzendem Umgang untereinander. Ein Digital Native kann sein Wissen an einen Kollegen aus der Generation X weitergeben und wiederum von dessen Erfahrung profitieren.

Führungskräfte müssen lernen, mit den Spannungen umzugehen. Das hat viel mit Selbstführung, eigenem Stressmanagement und der eigenen Resilienz zu tun als auch mit eigenen Generationenthemen und Werten. Unterschiede müssen anerkannt und nutzbar gemacht werden. Der Treibstoff dafür ist die Wertschätzung und somit die stärkenorientierte Führung. Können Führungskräfte mit all der Haltung und dem Mindset stärkenorientiert führen, werden alle Generationen an einem Strang ziehen und voneinander profitieren.

Zu Unternehmen, die hier umfassend aktiv sind, werden Menschen lieber kommen und lieber bleiben.

Wie ist Ihre Einschätzung: Sind österreichische Unternehmen hier aktiv genug?

Pia Kasa: Ein paar Pioniere sind schon sehr gut unterwegs, vor allem aus der IT-Branche, weil deren Arbeitsmarkt schon früher leer war. Viele sind am Weg, eben aus dem Arbeitskräftemangel heraus. Der Großteil hat noch viel zu tun, obwohl Corona schon ein Torpedo war, der die Entwicklung stark angezogen hat.

 

Mag. Pia Kasa ist Geschäftsführerin der Unternehmensberatung wings4minds, zertifiziert als Systemischer Coach, Trainerin, Personal- und Organisationsentwicklerin, Resilienz-Trainerin, Humorberaterin, Theaterpädagogin und Burn-out-Prophylaxe-Trainerin.

Zum gesamten Jubiläumsmagazin: 33207.pdf (ars.at)

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Hier schreibt das Team der ARS Akademie.