Krisenkommunikation für Führungskräfte
Was funktioniert in der Krisenkommunikation und was sollten Sie lieber bleiben lassen? Medienmanager und Kommunikationsberater Markus Leiter weiß Rat.
„Der Fisch fängt beim Kopf zu stinken an“, besagt ein altes Sprichwort. Wenn es in Unternehmen kriselt, wird auf das Verhalten von Führungskräften besonders geachtet, ihre Worte werden auf die Goldwaage gelegt. Von Kunden, den eigenen Mitarbeitern, Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit. Wenn Führungskräfte dabei versagen, verstärkt sich die Krise meist. Umgekehrt kann gute Krisenkommunikation aber helfen, drohende Vertrauensverluste abzumildern.
Die Rolle von Führungskräften in Krisenkommunikation strategisch planen
Nun ist Krise nicht gleich Krise: ein außergewöhnliches Ereignis (etwa ein schwerer Betriebsunfall) ist etwas anderes als ein Shitstorm wegen eines schadhaften Produkts oder das Fehlverhalten von Führungskräften, über das in Medien berichtet wird. Professionelles Krisenmanagement in der Unternehmenskommunikation weist über verschiedene Krisentypen hinweg zwar viele Gemeinsamkeiten auf, aber so etwas wie ein „one size fits all“ bei der Bewältigung gibt es nicht. Jeder Fall muss entlang bewährter Standards individuell betrachtet und mit ständiger Wachsamkeit strategisch gemanagt werden. Kommunikationsabteilungen in Unternehmen und Konzernen sollten im Thema Krisenkommunikation daher entsprechend professionell geschult sein.
Und die Führungskräfte?
Ein Thema, das immer wieder Anlass zu Diskussionen gibt, ist die Frage, welche Rolle Führungskräfte im Rahmen der kommunikativen Begleitung einer Krise spielen sollen. Diese Frage hängt nicht zuletzt von der Unternehmenskultur und der jeweiligen Führungspersönlichkeit ab. Es gibt CEOs, die, wenn es hart auf hart kommt, alles sofort an sich reißen und am liebsten im Alleingang lösen möchten. So ein Verhalten erinnert bisweilen an Fußballpräsidenten, die plötzlich selbst auf dem grünen Rasen einlaufen, weil sie meinen, dass nur sie selbst richtig kicken können. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Führungskräfte, die sich nur noch wegducken und alles von sich weg delegieren wollen, um nur ja nicht Gesicht und Flagge zeigen zu müssen. Solch ein Verhalten kann eine Krise prolongieren, weil leicht der Eindruck entsteht, als würden die Probleme auf der obersten Ebene nicht wahr- bzw. ernstgenommen werden. Damit Krisenkommunikation auf ganzer Ebene gelingt, muss sie durchostriert sein, d.h. auch die Rolle der Führungskräfte will genau bedacht und in ein schlüssiges Gesamtkonzept integriert sein. Wer das berücksichtigt, findet das richtige Maß, vermeidet widersprüchliche Botschaften nach innen und außen und läuft auch nicht Gefahr über- oder unterzureagieren.
Seminar entdecken
Sie interessieren sich für das Thema? Buchen Sie den passenden Kurs.
Krisenkommunikation auf Führungsebene
Kommunizieren, wenn's schwierig wird
Kommunikation nach innen
Insbesondere nach innen können Führungskräfte eine wichtige Rolle spielen, um in Krisen oder schwierigen Situationen stabilisierend zu wirken. Denn die wichtigste Stakeholder-Gruppe – die eigenen Mitarbeiter – darf auf keine Fall vernachlässigt werden! Ein positives Beispiel in diesem Zusammenhang lieferte Adidas-Boss Björn Gulden anlässlich der Beendigung der jahrzehntelangen Partnerschaft der „drei Streifen“ mit dem Deutschen Fußball Bund (DFB). Der Verband hatte entschieden, künftig das lukrativere Angebot von Nike vorzuziehen. Die Kooperation Adidas – DFB war in das kollektive deutsche Sportgedächtnis als geradezu identitätsstiftende Konstante eingeschrieben und natürlich auch sinnstiftend für viele Mitarbeiter*innen des Unternehmens. Was tat Gulden? Laut Sky wandte er sich, als das Ende der Partnerschaft besiegelt war, in einem Teams-Call als erstes an die eigene Belegschaft und informierte diese umfassend, um gemeinsam den Blick wieder nach vorne richten zu können. [Quelle]
Kommunikation nach außen: Werte kommunizieren, aber nicht verzetteln
In diesem Zusammenhang ist eine häufige Leitlinie jene, dass Führungskräfte beim Eintreten einer Krise sich auf grundlegende Richtlinienkommunikation fokussieren sollen. Etwa in der Form: Wir erkennen das Problem und wollen aufklären und, wenn Schäden entstanden sind, diese wiedergutmachen. Wir stehen zu unserer Verantwortung! In diesem Rahmen kann ein CEO zB auf grundlegende Werte des Unternehmens hinweisen, die bei der Bewältigung der Krise maßgeblich sind. In Einzelheiten, fachliche Details oder kommunikationsstrategische Operationen zur Erreichung von Teilzielen sollte er/sie sich aber nicht verstricken. Die Detailkommunikation überlässt man lieber der Kommunikationsabteilung.
Kommunikation
Das A&O in der Führung
Wenn die Medien nach dem Boss rufen
Und wenn Medien in ihren Anfragen immer und immer wieder „den Boss“ verlangen? In solchen Fällen ist genau abzuwägen, ob dies im Sinne der festgelegten Strategie ist. Man muss nicht jeden Wunsch von Journalist*innen erfüllen. Den Mann oder die Frau an der Spitze vorschicken kann etwa zu Beginn einer Krise (etwa nach einem dramatischen Ereignis) Sinn machen oder wenn im Krisenverlauf eine einschneidende neue Entwicklung eintritt und eine Richtung bei der Krisenbewältigung vorgegeben werden muss. Hier ist ein souveräner „Fels in der Brandung“ durchaus gefragt, der durch ruhiges, souveränes Auftreten das Vertrauen zentraler Stakeholder sichert. Dass ein CEO die gesamte Krise für die Öffentlichkeit „moderiert“, macht hingegen in den allerwenigsten Fällen Sinn. Das Risiko sich zu verzetteln oder immer wieder Dinge gerade rücken zu müssen (und dadurch selbst Ansehen zu verspielen) ist hoch. Für Sachfragen gibt es Unternehmenssprecher und manche Antworten können auch in einem schriftlichen Statement übermittelt werden.
Auf Medientrainings nicht vergessen
Die wenigen Auftritte von Führungskräften in der Öffentlichkeit sollten gut geplant und souverän abgewickelt werden. Erinnern Sie sich noch an das berühmte Video des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Martin Winterkorn, zu Beginn des Diesel-Schummelsoftware-Skandals? Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu: „Das Video, so viel kann man jetzt schon sagen, wird diese Affäre überdauern. Wie Martin Winterkorn da steht, abgekämpft, atemlos, schlecht beleuchtet. Wie man an seinen Augen sehen kann, wie er den Text abliest, wie er sich um Nachdruck bemüht, ohne dass in seinem Gesicht so etwas wie Mimik erkennbar wäre – das wird in die Geschichte eingehen. In die von Volkswagen. Und in die der Krisenkommunikation.“ [Quelle]
Über den Inhalt des Video-Statements gehen die Meinungen auch unter Kommunikationsexperten auseinander. Manche fanden die Botschaften richtig gewählt, für andere gingen sie nicht weit genug. Was jedoch auch fast 10 Jahre nach dem Ereignis haften blieb, war der Eindruck eines nicht sattelfesten Vorsitzenden, der zum Symbol für einen wackelnden Riesen wurde. Wenig später war Martin Winterkorn bei VW dann auch Geschichte. Natürlich darf man nicht der Illusion erliegen, als könne ein CEO mit seinen Statements eine (Mega)Krise einfach wegkommunizieren, sehr wohl aber kann die Einstellung wichtiger Stakeholder günstiger oder weniger günstig gestimmt werden. Medientrainings sind in diesem Sinne für CEOs jedenfalls sehr anzuraten.
Und wenn der CEO selbst „unter Feuer“ gerät
Und was, wenn Führungskräfte selbst „angepatzt“ werden, etwa durch Gerüchte, Untergriffe etc.? Ein Vorgang, wie er etwa in der Politik regelmäßig zu beobachten ist. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen besonders krassen Fall, als sich ein Bürgermeister einer österreichischen Stadt mit Dirty Campaigning der übelsten Sorte konfrontiert sah. Dieses hatte nicht zuletzt darauf abgezielt, ihn im Gemeinderat immer wieder in schmutzige verbale Duelle zu verwickeln, was natürlich seinem Ansehen (Stichwort: „Würde des Amtes“) ebenso geschadet hätte, wie das Stehenlassen der üblen Gerüchte und Verleumdungen. In einem Workshop mit seinem Team haben wir eine 5-Punkte-Strategie entwickelt, wie sich rund um den Mann an der Spitze bei Bedarf ein Verteidigungsring mit klar verteilten Rollen bildet, der die Angriffe kontert und den Bürgermeister so heraushält. Mit dem Ziel, seine Rolle als konstruktiver Player zu wahren. Gerade auf Führungsebene ist Krisenkommunikation ein höchst spannendes Thema, bei dem viele Aspekte zu berücksichtigen sind. Ich freue mich, Ihnen in meinem Workshop für die ARS Akademie wertvolle Praxis-Insights, abgestimmt auf Ihre Herausforderungen und Ihr Unternehmen, näherbringen zu dürfen.