Nachhaltige Veränderungen: ESG kommt im Bauwesen an

Paul Schwarz

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Ob Bodenversiegelung, Green Deal oder Kreislaufwirtschaft, ESG-Experte Paul Schwarz ist überzeugt: „Der Weg stimmt“. Im Interview erfahren Sie, welche Herausforderungen es aber noch zu meistern gilt.

Wie beeinflussen Initiativen wie die Agenda 2030 und der European Green Deal die ESG-Strategien in der Bau- und Immobilienwirtschaft? Welche konkreten Maßnahmen sind wichtig?

Der European Green Deal, Fit für 55 sowie die Agenda 2030 zielen auf Klimaneutralität bis 2050 und auf eine Reduktion der CO₂-Emissionen um 55 % bis 2030 ab. Dabei geht es vor allem um erneuerbare Energien und Ressourcenmanagement. Wichtige Maßnahmen, die den Immobiliensektor betreffen, sind die Taxonomie-Verordnung, die Offenlegungsverordnung und EU-Benchmarks. Aktuell steht die Branche vor Herausforderungen wie dem Wechsel vom GRI-Standard zum ESRS-Standard der EU. Ich empfehle, hier immer auf dem Laufenden zu bleiben, da es ständig Updates zu den neuen Richtlinien gibt.

Wo steht Österreich im EU-Vergleich?

Österreich hinkt im europäischen Vergleich etwas hinterher.

Während in Ländern wie Schweden, Finnland, Dänemark oder Deutschland Gesetze und Richtlinien schneller umgesetzt werden, dauert es in Österreich länger. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) ist ein Schritt in die richtige Richtung, das Gesetz wurde jedoch mehrmals überarbeitet, vor allem bei den Sanierungspflichten für Bestandsgebäude. Hier versucht man nunmehr mit Förderungen den Übergang zu erneuerbaren Energien zu forcieren.

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Wie kann ESG zur Reduktion der Bodenversiegelung in Österreich beitragen?

ESG-Initiativen können die Bodenversiegelung reduzieren, indem sie landwirtschaftliche Flächen erhalten und städtische Nachverdichtung fördern. In Wien wird eine Umwidmungsabgabe diskutiert und geprüft. Flächenwidmungs- und Versiegelungsumlagen als sogenannte intragovernmentale Instrumente werden auch von mehreren Experten der TU Wien angeregt. Eine Flächenwidmungsumlage würde fällig werden, sobald eine Gemeinde ein Grundstück in Bauland oder in eine Verkehrsfläche umwidmet. Das Geld sollte in einen auf Landesebene einzurichtenden Biodiversitäts- und Bodenschutzfonds fließen, die Höhe der Umlage sollte sich an den Kosten „einer gleichwertigen Ersatzfläche in der Qualität eines Schutzgebietes“ orientieren.

Welche Herausforderungen stellt die Kreislaufwirtschaftsstrategie an die Immobilienbranche?

Das Ziel muss sein, weniger Immobilien abzureißen, sondern wenn möglich und wirtschaftlich darstellbar die Immobilie zu sanieren und die Restnutzungsdauer zu verlängern.  Hierzu müssen Gebäude auch energetisch nachhaltig gemacht werden. Dies erfordert einen Umdenkprozess, Materialien müssen wiederverwertet und geschlossene Kreisläufe geschaffen werden. In Österreich gibt es bereits Förderungen und politische Maßnahmen, aber die praktische Umsetzung hinkt oft hinter den theoretischen Vorgaben hinterher. Mit der Novelle der Wiener Bauordnung hat man einen Schritt gesetzt, den Abriss von Gründerzeithäusern zu erschweren.

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Blicken wir jetzt in die Finanzwelt und Ihre Auswirkungen auf die Branche: Welche Veränderungen gibt es bei den ESG-Anforderungen von Banken und Investoren?

Banken und Kapitalgeber legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit.

„Grüne“ Finanzierungen für nachhaltige Immobilienprojekte sind derzeit nur geringfügig günstiger, doch es wird erwartet, dass es hier laufend bessere Konditionen (Basispunkte) geben wird. Banken prüfen die Nachhaltigkeit von Projekten und Unternehmen mittlerweile detailliert, da auch die Kreditinstitute an die EU reporten müssen. Beispielsweise müssen Banken die Green Asset Ratio (GAR) nunmehr als Kennzahl ausweisen und auch Kunden zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen.

Wie wirken sich ESG-Maßnahmen auf die Immobilienbewertung aus?

Gutachter müssen in ihren Befunden entsprechend zu ESG-relevanten Faktoren Erhebungen durchführen und ihre Auswirkungen in der Wertermittlung darlegen und begründen. Doch auch hier mangelt es noch an belastbaren Datengrundlagen. Und so wie ganz allgemein bei jedem Bewertungsansatz, ist eine doppelte oder sogar mehrfache Berücksichtigung von Parametern nicht zulässig. Nicht nachhaltige Bestandsimmobilien können somit an Wert verlieren, da Investoren und Fonds zunehmend auf Nachhaltigkeit achten. Immobilien, die nicht den aktuellen Standards entsprechen, werden in Zukunft kaum oder nur sehr schwer verkäuflich sein. Ein Druck, der zum Handeln anregt.

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Paul Schwarz

Paul Schwarz

Paul Schwarz ist führender Experte im Bereich ESG- und Nachhaltigkeitsberatung für die Bau- und Immobilienbranche mit über 20 Jahren Erfahrung.

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Wie sehen die Fördermöglichkeiten auf EU- und nationaler Ebene aus? Gibt es Verbesserungsbedarf?

Das Förderangebot ist umfangreich, aber oft unübersichtlich. Auf EU-Ebene gibt es zahlreiche Fördermöglichkeiten für institutionelle und kommunale Einrichtungen. Auch für KMU’s und Einzelpersonen gibt es Förderungen, die aber schwer zu finden sind. Eine Vereinfachung des Zugangs und der Antragstellung wäre hilfreich. In Österreich findet sich eine gute Übersicht auf der Seite der Kommunalkredit, weiters auf der Seite der jeweiligen Bundesländer – z.B. für Wien: Wohn­bau­förderung und Schlichtungs­stelle für wohn­rechtliche An­ge­legen­heiten. Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit informiere ich den Kunden jeweils über individuelle Förderungsmöglichkeiten und übernehme auch gerne die Koordination/Abwicklung im Bedarfsfall.

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Wie sehen Sie den langfristigen Nutzen von ESG-Investitionen?

Langfristig bieten ESG-Investitionen definitiv einen Mehrwert.

Der Markt bewegt sich zunehmend in Richtung nachhaltiger Immobilien. Unternehmen, die frühzeitig auf ESG setzen, profitieren von einer besseren Marktposition, einer stabilen Bewertung, besseren Finanzierungskonditionen sowie höheren Mieten durch Green Leases (grüne Mietverträge).

Welche aktuellen Trends und Entwicklungen sind für die Bau- und Immobilienbranche besonders relevant?

Die Renaissance der Holzbauweise und der Umstieg auf Heizsysteme, die mit erneuerbarer Energie gespeist werden, wie Fernwärme und Wärmepumpen. Im Neubau wird frühzeitig auf Gebäudezertifizierungen geachtet und Projekte werden vom Start der Projektentwicklung bereits nachhaltig geplant. Vor allem bei Ein- und Zweifamilienhäusern im Altbestand gibt es jedoch noch viele Herausforderungen. Förderungen helfen hier, den Übergang zu erneuerbaren Heizsystemen zu erleichtern. Jeder kann durch Maßnahmen wie z.B.: Photovoltaikanlagen einen Beitrag leisten.

Standards

  • GRI (Global Reporting Initiative)

    Die international agierende Organisation legt 41 Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung fest, um die weltweite Vergleichbarkeit der Reportings sicherzustellen.

  • ESRS (European Sustainability Reporting Standards)

    Diese Standards umfassen zwölf Richtlinien und vereinheitlichen die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in der EU.

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