Bauvertragsrecht – Das müssen Sie wissen

Isabel Folie

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Ob Regiepreis oder Pauschalvertrag – wer einen Bauvertrag abschließt, trifft rechtlich weitreichende Entscheidungen. Bauzeitverzögerungen, Mängelansprüche oder Streitigkeiten bei der Abrechnung sind nur einige der Herausforderungen, die Projektbeteiligte meistern müssen. In unserem aktuellen Beitrag erfahren Sie, worauf es im österreichischen Bauvertragsrecht wirklich ankommt: von der Rolle der ÖNORM B 2110 über Gewährleistung und Schadenersatz bis zu bewährten Tipps für eine rechtssichere Vertragsgestaltung.

Wie ist das Bauvertragsrecht in Österreich geregelt – und welche Rolle spielt das ABGB und die ÖNORM B 2110?

Das Bauvertragsrecht ist in Österreich primär im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) verankert. Der Bauvertrag ist ein sogenannter Konsensualvertrag, das heißt: Er kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande und bedarf keiner besonderen Form. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Ausfertigung jedoch sehr zu empfehlen.

Zentral – und in der Praxis auf eine Vielzahl von Bauleistungen anwendbar – ist der Werkvertrag nach §§ 1165 ff ABGB. Im Fokus stehen dabei die Herstellung eines Werks gegen Entgelt, die Abnahme durch den Auftraggeber sowie alle Fragen rund um Mängel und Gewährleistung.

Doch damit nicht genug: Ergänzt wird der gesetzliche Rahmen durch die ÖNORM B 2110. Wichtig zu wissen: Diese Regelungen gelten nur bei ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien. Die allgemeinen Vertragsbestimmungen für Bauleistungen finden sich in den Abschnitten 5 bis 12 der Norm. Sie haben sich als Standard etabliert und bieten eine wichtige Orientierungshilfe für die Vertragsgestaltung im Bauwesen – insbesondere durch klare Vorgaben zur Bauzeit, zu Leistungsänderungen, zur Abrechnung und zur Mängelrüge.

Mit der Ausgabe vom Mai 2023 wurde die ÖNORM B 2110 umfassend überarbeitet.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

  • Klarstellungen zur Schriftform bei Nachträgen

  • Neue Regelungen zur Bauzeit und zu Behinderungsanzeigen

  • Konkretisierungen bei der Mängelrüge

  • Präzisierungen bei Leistungsabweichungen und Abrechnung

  • Anpassungen beim Rücktrittsrecht vom Vertrag

  • Neuregelungen zur Verjährungsfrist

Bei grenzüberschreitenden Projekten treten häufig Schnittstellen zum deutschen BGB oder zu EU-rechtlichen Vorgaben auf. Dies betrifft etwa Lieferverzögerungen oder unterschiedliche Auslegungen von Vertragsklauseln. Eine vorausschauende und präzise Vertragsgestaltung ist hier essenziell.

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Wann lohnt sich ein Pauschalvertrag – und wann ist ein Regiepreis sinnvoll?

In der Baupraxis wird zwischen Pauschalpreis- und Regieverträgen unterschieden. Beim Pauschalvertrag wird eine bestimmte Leistung zu einem festen Preis vereinbart. Beim Regievertrag hingegen erfolgt die Abrechnung nach tatsächlich geleistetem Aufwand – also auf Basis von Stunden- und Materialnachweisen. Welche der beiden Vertragsarten die bessere Wahl ist, lässt sich nicht pauschal beantworten – beide haben ihre Vor- und Nachteile, die es im Einzelfall abzuwägen gilt.

Aus Sicht des Auftraggebers bietet der Pauschalpreis eine höhere Kalkulationssicherheit, birgt jedoch das Risiko, dass Leistungen zu knapp bemessen sind oder qualitative Abstriche gemacht werden. Auftragnehmer wiederum bevorzugen Regieverträge, insbesondere bei schwer kalkulierbaren Leistungen – etwa bei Altbausanierungen oder in frühen Planungsphasen. Voraussetzung ist hier allerdings eine lückenlose Dokumentation des tatsächlichen Aufwands.

Damit sind wir bereits bei den typischen Tücken beider Vertragsarten: Bei Pauschalverträgen führen unklare Leistungsbeschreibungen oder ein fehlendes Leistungsverzeichnis häufig zu Auslegungskonflikten. Bei Regieverträgen sind es fehlende Nachweise oder eine ungenügende Dokumentation, die unweigerlich zu Diskussionen über Nachtragsforderungen führen.

Mag. Dr. iur Gerhard Schlüsselberger, Experte in der ARS Akademie, weist zudem darauf hin, dass Regiepreisvereinbarungen im Hinblick auf die Arbeitszeit zwei wesentliche Komponenten haben: „Einerseits den Stundensatz und andererseits die Anzahl der geleisteten Stunden. Der OGH hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass der Stundensatz keiner Angemessenheitskontrolle (aber etwa einer Sittenwidrigkeitskontrolle!) durch das Gericht unterliegt, sehr wohl aber die Anzahl der geleisteten Stunden.“

Nur die erforderlichen, sachlichen und zweckmäßigen Leistungen (Stunden) sind laut Schlüsselberger vom Regiepreis umfasst. „Nicht erforderliche, unsachgemäße und unzweckmäßige Leistungen (Stunden) dürfen vom Werkunternehmer nicht verrechnet werden bzw. können zurückgefordert werden.“

Praxisempfehlung: Bereits vor Vertragsschluss sollte geklärt werden, ob unvorhersehbare Entwicklungen oder Zusatzleistungen erfasst sind – und wie deren Abrechnung vertraglich geregelt wird.

Nicht erforderliche, unsachgemäße und unzweckmäßige Leistungen (Stunden) dürfen vom Werkunternehmer nicht verrechnet werden bzw. können zurückgefordert werden.

Mag. Dr. iur Gerhard Schlüsselberger

Was zählt als Baumangel – und welche Gewährleistungsrechte haben Auftraggeber?

Dass beim Bauen nicht immer alles glattläuft, ist hinlänglich bekannt. Ein Baumangel liegt vor, wenn die vereinbarte oder üblicherweise vorausgesetzte Beschaffenheit nicht eingehalten wurde.

Mangel ist nicht gleich Mangel. Unterschieden wird zwischen:

  • Behebbaren Mängel

    Können vom Bauunternehmen behoben werden.

  • Unbehebbaren Mängel

    Können die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks erheblich beeinträchtigen.

  • Wesentlichen Mängeln

    Machen das Bauwerk unbrauchbar oder mindern die Gebrauchstauglichkeit erheblich.

  • Offenkundigen Mängeln

    Waren für den Bauherrn bei Vertragsabschluss erkennbar (z. B. eingeschlagene Scheiben).

Die gesetzliche Gewährleistungsfrist bei unbeweglichen Werken beträgt in Österreich drei Jahre ab Übergabe (§ 933 ABGB). Innerhalb dieser Frist muss der Auftragnehmer etwaige Mängel beheben – vorausgesetzt, der Auftraggeber hat diese rechtzeitig, idealerweise schriftlich, gerügt. Deswegen gilt: Augen offen halten.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels liegt nach der Übergabe grundsätzlich beim Auftraggeber – mit einer Ausnahme: In den ersten sechs Monaten wird gesetzlich vermutet, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war.

„In der Baubranche ist es ein Dauerbrenner, wer wofür haftet. Häufig fehlt jedoch das Verständnis, ob es sich rechtlich um Erfüllung, Gewährleistung oder Schadenersatz handelt – drei grundlegend unterschiedliche Kategorien“, gibt Prof. h.c. Ing. DDr. Hermann Wenusch, Experte in der ARS Akademie, zu bedenken.

Gerade bei verdeckten Mängeln – wie etwa einem erst Jahre später auftretenden Feuchtigkeitsschaden – stellt sich oft die Frage, ob noch Gewährleistung geltend gemacht werden kann oder bereits ein Schadenersatzanspruch zu prüfen ist. Der OGH betonte in mehreren Entscheidungen, dass dabei auch eine unterlassene Wartung durch den Auftraggeber zu berücksichtigen ist – eine differenzierte Betrachtung ist daher notwendig.

 

„In der Baubranche ist es ein Dauerbrenner, wer wofür haftet. Häufig fehlt jedoch das Verständnis, ob es sich rechtlich um Erfüllung, Gewährleistung oder Schadenersatz handelt – drei grundlegend unterschiedliche Kategorien.“

Prof. h.c. Ing. DDr. Hermann Wenusch

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Wie lassen sich Bauzeitverzögerungen rechtlich absichern – und was tun im Ernstfall?

Zuhause auf die Handwerker warten – und warten. Und noch ein bisschen länger warten. Kennen wir alle. Auch auf Baustellen kommt es regelmäßig zu Bauzeitverzögerungen – wenig überraschend zählen diese zu den häufigsten Streitpunkten im Bauwesen. „Eher selten wird ein Bauwerk zum vorgesehenen Termin fertig, was fast immer zu Pönalforderungen an den Bauunternehmer führt“, sagt Wenusch und beschreibt damit die ernüchternde Realität in der Baubranche.

Typische Ursachen für Verzögerungen sind Schlechtwetter, Materialengpässe, nicht abgestimmte Planungsänderungen oder verspätete Freigaben. Sie führen oft zu Kettenreaktionen im Bauablauf und gefährden die termingerechte Fertigstellung.

Die ÖNORM B 2110 enthält klare Vorgaben zur Behinderungsanzeige (§ 7.3): Der Auftragnehmer muss eine Störung der Leistungsausführung schriftlich anzeigen, sobald er diese erkennt oder erkennen müsste. Nur dann können Fristverlängerungen oder Mehrkosten geltend gemacht werden.

Hier zeigt sich einmal mehr die Bedeutung eines gut durchdachten Bauvertrags: Vertragsstrafen bei Terminüberschreitungen sind in der Praxis weit verbreitet – ebenso Force-Majeure-Klauseln für unvorhersehbare Ereignisse wie extreme Wetterbedingungen oder Pandemien. Solche Klauseln sollten präzise formuliert und mit konkreten Fristen und Nachweispflichten verknüpft sein. Das spart Kosten, schont die Nerven – und vor allem: Es verhindert, dass noch mehr Zeit durch Streitigkeiten und Gerichtsverfahren verloren geht.

Wie lässt sich das Risiko teurer Verzögerungen von Anfang an minimieren? Empfehlenswert sind realistische Pufferzeiten in der Projektplanung sowie ein strukturiertes Bauzeitenmanagement. Darüber hinaus sollten Baufortschritte regelmäßig in digitalen Baubüchern dokumentiert werden.

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Wie können Baukonflikte frühzeitig erkannt und ohne Gerichtsverfahren gelöst werden?

Wo gehobelt wird, da fallen Späne –wo Mauern hochgezogen werden, tun sich Gräben auf. Typische Konfliktfelder am Bau sind – wie bereits besprochen – Mängel und Bauzeitverzögerungen. Hinzu kommen Unstimmigkeiten über Abrechnungen und ungeklärte Leistungsänderungen. Je früher solche Konfliktpotenziale erkannt und offen kommuniziert werden, desto besser lassen sich teure juristische Auseinandersetzungen vermeiden – im Interesse aller Beteiligten lohnt sich, bereits vor Baubeginn präventive Maßnahmen im Prozess zu etablieren.

Präventive Maßnahmen

  • Regelmäßige Baubesprechungen mit schriftlichen Protokollen

  • Digitale Projekt- und Mängeldokumentation

  • Klare vertragliche Regelungen zu Nachträgen und Fristen

  • Transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten

Tipp: In vielen Fällen zahlt sich die Einbindung einer örtlichen Bauaufsicht (ÖBA) aus. Sie überwacht den Baufortschritt, dokumentiert Mängel und kann als neutrale Instanz vermitteln. Eine erfahrene ÖBA erkennt Konflikte frühzeitig – und entschärft sie oft, bevor sie eskalieren. Kommt es dennoch zum Streit, stehen verschiedene Lösungswege zur Verfügung:

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Wege, um Baukonflikte zu lösen

  • Mediation

    Freiwillige Einigung mit Unterstützung einer neutralen dritten Person.

  • Schlichtung

    Meist vertraglich vorgesehen, z. B. über Schlichtungsstellen der Landesinnungen.

  • Schiedsgericht

    Kostspieliger, aber häufig schneller als ein reguläres Gerichtsverfahren.

  • Gerichtsverfahren

    Der klassische Weg – insbesondere bei komplexen oder wirtschaftlich bedeutsamen Streitigkeiten

Welche Methode geeignet ist, hängt vom Umfang des Streits, seiner wirtschaftlichen Tragweite und der Einigungsbereitschaft der Parteien ab. In jedem Fall gilt: Bei komplexen Projekten sollte juristische Expertise frühzeitig eingebunden werden.

Fazit: Wie lässt sich ein Bauvertrag von Anfang an rechtssicher gestalten?

Das Bauvertragsrecht ist ein zentraler Bestandteil jeder Projektabwicklung am Bau und legt das Fundament für eine reibungslose Zusammenarbeit – damit der Vertrag von Anfang auf sicheren Beinen steht, haben wir für Sie eine praktische Checkliste für Bauverträge erstellt.  Ob bei der Vertragsgestaltung, der Ausführung oder im Streitfall: Wer strukturiert Schritt für Schritt vorgeht, vermeidet teure Fehler und stärkt die rechtliche Position.

Die Checkliste der ARS Akademie für sichere Bauverträge

Damit der Fokus dort bleibt, wo er hingehört: auf einer erfolgreichen und rechtssicheren Projektumsetzung.

  • Verträge frühzeitig rechtlich prüfen lassen

  • Alle Änderungen und Nachträge lückenlos dokumentieren

  • Kommunikationswege im Projekt klar definieren

  • Behinderungen und Mängel schriftlich anzeigen und belegen

  • Rechtsprechung regelmäßig beobachten und aktuelle Normen anwenden

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